Online-Kampagne #InklusionStattAusgrenzung
Berlin – Immer mehr Kinder und Jugendliche leben mit psychischen und chronischen Erkrankungen. Sie benötigen häufig pflegerische oder medizinische Betreuung – auch in der Schule. Diese Unterstützungsleistung könnte von Schulgesundheitsfachkräften übernommen werden. Sie entlasten das Lehrpersonal, Eltern und Kinder, verbessern die Inklusion von chronisch erkrankten oder Kindern mit Behinderung und erhöhen die Gesundheitskompetenz an Schulen. Doch medizinisch geschultes Fachpersonal wird im aktuellen Schulsystem nicht finanziert. Um mehr öffentliche Aufmerksamkeit auf den Bedarf von Schulgesundheitsfachkräften zu lenken, starten verschiedene Organisationen rund um den Weltkindertag am 20. September die Online-Kampagne #InklusionStattAusgrenzung. Sie wird organisiert von der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) gemeinsam mit ihrer AG Pädiatrische Diabetologie (AGPD), diabetesDE - Deutsche Diabetes-Hilfe, der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin e.V. (DGSPJ), ACHSE e. V., Diabetes-Kids.de, dem Berufsverband Kinderkrankenpflege Deutschland e. V. (BeKD) und der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ).
15 Prozent der Kinder leben mit chronischen körperlichen oder psychischen Erkrankungen wie Verhaltensstörungen, Allergien oder Diabetes mellitus. „Lehrkräfte sind zunehmend überfordert. Sie sind für medizinische Themen weder ausgebildet noch zuständig“, sagt Professor Dr. med. Andreas Neu, Past Präsident der DDG und kommissarischer ärztlicher Direktor an der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Tübingen. Modellprojekte, Erfahrungen anderer Länder und Studien zeigen: Schulgesundheitsfachkräfte entlasten das Schulsystem, Eltern und Kinder erheblich. „Einerseits können sie sich um die einfache medizinische Grundversorgung wie aufgeschlagene Knie oder Nasenbluten kümmern und für Gesundheitsaufklärung sorgen. Andererseits leisten sie einen wertvollen und kompetenten Beitrag für Kinder mit täglichem Unterstützungsbedarf, entlasten somit Familien und Lehrpersonal und verhindern damit die Diskriminierung von chronisch kranken Kindern“, führt Neu aus.
Von medizinisch ausgebildetem Personal an Schulen profitieren ganz besonders Kinder, die durch ihre chronische Erkrankung besondere Hilfestellung im Alltag benötigen. Untersuchungen zeigen, dass aktuell fast ein Viertel der Schulkinder eine weitergehende medizinische oder therapeutische Unterstützung benötigt. „Bei einem Diabetes Typ 1 muss beispielsweise die Insulindosierung und die körperliche Bewegung exakt aufeinander abgestimmt werden, um gesundheitliche Komplikationen wie eine lebensgefährliche Unterzuckerung zu vermeiden“, erklärt PD Dr. med. Thomas Kapellen von der AGPD. Trotz der zunehmenden Technologisierung in der Therapie seien Grundschulkinder in der Regel mit den Anforderungen ihrer Erkrankung überlastet. „Sie können ihren Diabetes nicht vollständig allein managen, weil sie komplexe Zusammenhänge nicht allein überblicken können – ebenso wenig das Lehrpersonal.“ Je weniger sich chronische Erkrankungen durch ihre individuellen Anforderungen in die Lebenswirklichkeit der Schulen einbinden lassen, desto größer ist die Gefahr, dass die betroffenen Kinder schulische Ausgrenzung erleben. „Schlimmstenfalls müssen sie entgegen ihren Fähigkeiten auf den Besuch von Regelschulen verzichten, nur weil niemand sich für ihre Gesundheitsfürsorge zuständig fühlt“, gibt Kapellen zu Bedenken.
Um Ihren Kindern den Besuch einer Regelschule zu ermöglichen, springen häufig die Mütter ein, wie die AMBA-Studie (Alltagsbelastungen der Mütter von Kindern mit Typ-1-Diabetes: Auswirkungen auf Berufstätigkeit und Bedarf an Unterstützungsleistungen im Alltag) zeigte. „Die von uns unterstützte AMBA-Studie belegt, dass 39 Prozent der Mütter von Kindern mit Typ-1-Diabetes den Umfang ihrer Arbeitszeit reduzieren. 10 Prozent gaben nach der Diabetesdiagnose ihres Kindes ihre Berufstätigkeit sogar gänzlich auf, um das Kind in Kita und Schule mitzuversorgen. Es darf nicht sein, dass eine Diabetesdiagnose insbesondere bei Müttern mit Karriereknick und Armutsrisiko einhergeht. Schulgesundheitsfachkräfte würden dies ändern“, sagt Dr. med. Jens Kröger, Diabetologe und Vorstandsvorsitzender von diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe.
Trotz der offensichtlichen Vorteile von Gesundheitsfachkräften an Schulen fehlen noch immer ein klares Bekenntnis und der entschiedene Wille seitens der Politik, medizinisches Fachpersonal an deutschen Schulen einzusetzen und Kinder mit chronischen Erkrankungen besser in die Regelschulen zu integrieren. Deshalb starten die Organisationen DDG und ihre AG Pädiatrische Diabetologie sowie diabetesDE – Deutsche Diabetes Hilfe, DGSPJ, ACHSE e. V., BeKD e. V., Diabetes-Kids.de und DGKJ eine Online-Kampagne, um mehr öffentliche Aufmerksamkeit auf dieses Problem zu lenken. Unter #InklusionStattAusgrenzung können Interessierte auf X, LinkedIn und Facebook die Kampagne mitverfolgen und unterstützen. Bei Materialanfragen wenden Sie sich bitte an die jeweiligen Pressestellen.
Die Kern-Forderungen der Kampagne #InklusionStattAusgrenzung:
Inklusion statt Ausgrenzung!
Schulgesundheitsfachkräfte tragen zur Inklusion chronisch kranker Kinder an Schulen bei.
Zeitenwende in der Schule!
Schulgesundheitsfachkräfte entlasten Eltern, Lehrer*innen und Erzieher*innen im Schulalltag.
Chronische Krankheit? Das pack ich!
Schulgesundheitsfachkräfte unterstützen Kinder und Jugendliche beim Selbstmanagement ihrer Erkrankung.
Schule für alle!
Chronisch kranke Kinder haben ein Recht auf Beschulung – unabhängig von ihrer Erkrankung.
Die DDG in den sozialen Netzwerken:
Facebook: https://www.facebook.com/DDG.Fanpage/
X: https://twitter.com/ddg_tweets?lang=de
LinkedIn: https://www.linkedin.com/company/deutsche-diabetes-gesellschaft/
Quellen:
- Informationen zum Modellprojekt Schulgesundheitsfachkräfte der AWO: Mehr Gesundheit im Schulalltag | Schulgesundheitsfachkräfte (https://schulgesundheitsfachkraft.de/)
- C. Maulbecker-Armstrong et Al.: Schulgesundheitsfachkräfte in Deutschland – Vom Modell zum Regelangebot in zwei Bundesländern, Gesundheitswesen 2022: 84: 280–284
- A. D-Hindenberg et Al.: Long-term Occupational Consequences for Families of Children with Type 1 Diabetes: The mothers take the burden, Diabetes Care 2021:44:2656-2663
- H. Sassmann: Wer ist gestresst, wann, warum und wie sehr? Elterliche Belastungen und Bedürfnisse in der Betreuung von Kindern mit Typ-1-Diabetes, Poster DDG 0522
- KiGGS-Studie: https://www.kiggs-studie.de/ergebnisse/kiggs-welle-2/ergebnisse-nach-themen.html
- Presseunterlagen zur Pressekonferenz „Inklusion statt Ausgrenzung: Warum wir Kinder mit chronischen Krankheiten wie Diabetes an deutschen Grundschulen nicht allein lassen dürfen!“: https://www.ddg.info/pressekonferenzen/inklusion-statt-ausgrenzung-warum-wir-kinder-mit-chronischen-krankheiten-wie-diabetes-an-deutschen-grundschulen-nicht-allein-lassen-duerfen
- DDG Positionspapier Schulgesundheitsfachkräfte: https://www.ddg.info/politik/stellungnahmen/gemeinsames-positionspapier-zur-versorgung-von-kindern-und-jugendlichen-mit-typ-1-diabetes-in-der-schule-1
- Alltagsbelastungen der Mütter von Kindern mit Typ 1 Diabetes: Auswirkungen auf Berufstätigkeit und Bedarf an Unterstützungsleistungen im Alltag (AMBA-Studie):https://www.researchgate.net/publication/333686217_Eltern_von_Kindern_mit_Typ-1-Diabetes_Folgen_fur_Berufstatigkeit_psycho-soziale_Belastungen_und_Bedarf_an_Unterstutzungsleistungen_-_Ergebnisse_der_AMBA-Studie