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CGM deckt viele klinisch unauffällige Unterzuckerepisoden auf

LONDON.  Viele Menschen mit insulinbehandeltem Diabetes nutzen CGM, um schneller auf Blutzuckerschwankungen reagieren zu können. Die Mehrzahl der von den Sensoren detektierten Hypoglykämien nehmen die Betroffenen allerdings gar nicht wahr. Umgekehrt bilden die CGM-Systeme einen erheblichen Anteil der subjektiven Unterzuckerepisoden nicht ab.
 

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Ein starkes Absinken des Blutzuckerspiegels kann neurokognitive Beeinträchtigungen nach sich ziehen und den Herzmuskel schädigen, erläutert Patrick Divilly vom King‘s College London. CGM-Systeme können diesen Komplikationen vorbeugen: Menschen mit Diabetes, die sie nutzen, erleben seltener schwere Hypoglykämien. Auch die Dauer der Episoden ist bei ihnen kürzer. 
Viele der von den Sensoren dokumentierten Unterzuckerphasen haben allerdings kein klinisches Korrelat. Mit dieser Thematik beschäftigte sich die Hypo-METRICS-Studie: Sie prüfte die Häufigkeit und Dauer von CGM-detektierten Hypoglykämieepisoden bei insulinbehandeltem Diabetes und ging unter anderem der Frage nach, wie gut diese mit subjektiven Symptomen korrelieren. 

CGM-Werte und subjektive Symptome: Es gibt Unterschiede
An der Beobachtungsstudie beteiligten sich Zentren in fünf europäischen Ländern, teilgenommen haben 276 Erwachsene mit Typ-1-Diabetes und 321 Personen mit insulinbehandeltem Typ-2-Diabetes, die in den vorangegangenen drei Monaten mindestens eine Hypoglykämie erlebt hatten. Sie trugen zehn Wochen lang einen CGM-Sensor. Über diese Messergebnisse erhielten die Patient*innen jedoch keine Kenntnis. Sie nutzten während der Studiendauer ihre gewohnte Messmethode und dokumentierten mithilfe der Hypo-METRICS-App Hypoglykämiesymptome sowie Blutzuckerkonzentrationen von weniger als 72 mg/dl (gemessen mit dem jeweils eigenen Messgerät). Nun prüften die Forschenden, wie häufig die studieneigenen CGM-Systeme Hypoglykämien (Glukosewerte unterhalb 70 bzw. 54 mg/dl für länger als 15 Minuten) detektiert hatten und wie genau die objektiven und die subjektiven Hypoglykämieepisoden zeitlich übereinstimmten.

Während mehr als 37.000 Messtagen verzeichneten die Forschenden 28.999 sensordetektierte Hypoglykämien < 70 mg/dl und 6.711 Hypoglykämien < 54 mg/dl. Die Studienteilnehmenden dokumentierten im selben Zeitraum 17.210 subjektive Hypoglykämieepisoden. Die Auswertung ergab, dass 65 % der CGM-detektierten Hypoglykämien < 70 mg/dl und 59 % der CGM-detektierten Hypoglykämien < 54 mg/dl kein klinisches Korrelat hatten. Umgekehrt bildeten die Glukosesensoren 43 % der von den Patient*innen dokumentierten Ereignisse nicht ab. Insgesamt stellten die Forschenden bei Typ-1-Diabetes im Vergleich zu Typ-2-Diabetes einen signifikant höheren medianen Anteil von Übereinstimmungen zwischen der objektiven und der subjektiven Hypoglykämiedokumentation fest. Dies galt sowohl im Hinblick auf den Grenzwert 70 mg/dl (40 vs. 22 %) als auch den Grenzwert 54 mg/dl (47 vs. 25 %).

Nicht gleichwertig: CGM- und subjektive Hypoglykämien
Angesichts der Diskrepanzen zwischen objektiver und subjektiver Hypoglykämiedokumentation warnen Divilly und seine Forscherkolleg*innen: CGM-detektierte und subjektive Hypoglykämien dürfen weder in der klinischen Praxis noch im Forschungskontext als gleichwertig betrachtet werden. Sie empfehlen, immer beide Parameter zu dokumentieren und bei Entscheidungen zu berücksichtigen. Nun seien unter anderem die biologischen Konsequenzen asymptomatischer sensordetektierter Hypoglykämien zu klären.

Mehr als 60 % der CGM-detektierten Hypoglykämien < 70 mg/dl und sogar über die Hälfte der CGM-detektierten Hypoglykämien < 54 mg/dl bleiben asymptomatisch, unterstreicht Forscher Divilly abschließend. Andererseits treten mehr als 40 % der subjektiven Unterzuckerepisoden offenbar bei einem Blutzucker über 70 mg/dl auf. 

Dr. Judith Lorenz

Literatur: Divilly P et al. Diabetes Care 2024; 47(10): 1769-1777; doi: 10.2337/dc23-2332