Die Leber: vom Opfer zum Täter

Mitochondrien als interessantes therapeutisches Ziel bei MAFLD und Diabetes

BERLIN.  Für ein besseres Verständnis der Diabetessubtypen und den Weg in die „Präzisionsdiabetologie“ werden Crosstalk-Mediatoren untersucht. Aus Mendelschen Randomisierungsstudien gehen kausale Assoziationen zwischen Biomarkern, dem Risiko für Typ-2-Diabetes und seinen Komplikationen hervor, aber auch das Konzept der „umgekehrten Kausalität“. Dies war eines der Themen während des Werner-Creutzfeldt-Symposiums.

DDG/Dirk Michael Deckbar

Am 11. Mai 2024, genau am Tag des Symposiums, wäre Professor Dr. Werner Creutzfeldt 100 Jahre alt geworden. Die Referenten beschäftigten sich deshalb mit Themen, die dem Forscher, Arzt und Internisten besonders wichtig waren, so Kongresspräsident Professor Dr. Baptist Gallwitz, der zusammen mit Professor Dr. Wolfgang Schmidt, Bochum, den Vorsitz des Symposiums innehatte. Prof. Creutzfeldt war Gründungsmitglied der DDG und 1967/1968 deren Präsident, später dann auch Ehrenmitglied. Unter seinen vielen Auszeichnungen sind die Paul-Langerhans-Medaille und die Claude-Bernard-Medaille; zudem wurde er von der DGIM für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Während des Symposiums anwesend waren Mitglieder der Familie des 2006 Verstorbenen. 

Dysbiose des Darms, adipöse Dysfunktion und MASLD
Ein Referent war DZD-Forscher Professor Dr. Michael Roden, Düsseldorf. Angesichts der steigenden Prävalenz von Diabeteserkrankungen und metabolisch-assoziierten Fettlebererkrankungen (MASLD bzw. MAFLD; früher: NAFLD) sprach er zur speziellen Rolle der Leber in der Pathogenese des Diabetes und des hepatogenen Diabetes. Klinische Studien zu den Auswirkungen von Diäten oder bariatrischen Operationen haben die Lebermitochondrien als interessantes therapeutisches Ziel bei der MASLD beschrieben. „Wir sehen die Leber in der Stoffwechselforschung primär als Opfer“, kon­statierte Prof. Roden. „Von der Dysbiose des Darms und der ädipösen Dysfunktion zur MASLD.“1 

Letztlich schädige eine Reihe von Faktoren die Leber, dabei sei es initial ihr Energiestoffwechsel, der gestört werde. Bei manchen  Menschen mit Adipositas ließen sich zwar keine relevanten Fettanreicherungen in der Leber feststellen. In der Regel sei die oxidative Kapazität in der Leber aber bereits erhöht, wenn Personen eine Adipositas, aber noch keine Fettleber aufweisen. Bei ihnen „entsteht mehr oxidativer Stress“, erklärte Prof. Roden. Hier sei die Leber nicht die Ursache, sondern infolge vorausgegangener Entwicklungen bzw. genetischer Besonderheiten involviert.

Werner-Creutzfeldt-Preis für Professor Wagner
Professor Dr. Robert Wagner, Düsseldorf, wurde im Rahmen des Symposiums mit dem Werner-Creutzfeldt-Preis 2024 ausgezeichnet. Er wurde geehrt für seine Arbeiten zur klinisch translationalen Erforschung der Pathogenese des Typ-2-Diabetes und seiner Komplikationen unter Einbeziehung der Sekretion von und des Ansprechens auf Inkretinhormone. Die Arbeit des Preisträgers wird in einer der nächsten Ausgaben ausführlich vorgestellt. Mit dem Preis verbunden ist eine Fördersumme von 10.000 Euro. Der Preis wurde initiiert und wird gefördert vom Unternehmen Lilly. Die Laudatio hielt Professor Dr. Michael Nauck, Bochum, im Jahr 2007 erster Träger des Werner-Creutzfeldt-Preises.

Ein Polymorphismus des patatin-ähnlichen phospholipasedomänenhaltigen Proteins 3 (PNPLA3, auch bekannt als Adiponutrin) ist mit einem erhöhten Risiko und dem Fortschreiten einer NAFLD (nach damaliger Definition) assoziiert. So weiß man mittlerweile, dass dieser Single-Nukleotid-Polymorphismus (SNP) nicht direkt mit der Ganzkörper-Insulinsensitivität bei schwerem insulinresistentem Diabetes (SIRD) assoziiert ist.2 Dennoch wiesen die Träger des G-Allels signifikant höhere Konzentrationen an zirkulierenden freien Fettsäuren sowie signifikant eine größere Insulinresistenz des Fettgewebes im Vergleich zu Nicht-Trägern auf. 

Ebenso gibt es Belege dafür, dass Menschen mit metabolisch-assoziierten Fettlebererkrankungen deutliche Anomalien des viszeralen Fett-Energiestoffwechsels aufweisen, die mit einer Dysfunktion des Fettgewebes korrelieren und das Fortschreiten zu einer Steatohepatitis (vormals: NASH, jetzt: MASH) begünstigen können.3 „Im viszeralen Fettgewebe ist die oxidative Kapazität gestört“, sagte Prof. Roden. Während die Leber imstande sei, die oxidative Kapazität „raufzuregulieren“, sei das viszerale Fett dazu offensichtlich nicht in der Lage. Ähnliches sei über das Muskelgewebe bekannt.

Proaktiv die Entzündung und Fibrose in der Leber erkennen
„Leider nehmen die meisten Menschen mit Typ-2-Diabetes innerhalb der ersten fünf Jahre nach der Dia­gnose kontinuierlich noch weiter zu.“ Dies sei zumindest vor der Möglichkeit der Behandlung mit GLP1-Rezeptoragonisten (GLP1-RA), dualen GLP1-RA und SGLT2-Hemmern der Fall gewesen. Dadurch steige der Fettgehalt in der Leber trotz guter glykämischer Kontrolle an. Der hepatische Energiestoffwechsel nimmt ab, während die hepatische Insulinresistenz ansteigt und über die Störung der Leber verschlechtert sich dann die glykämische Kontrolle. 

Somit werde die „Leber relativ rasch vom Opfer zum Täter“, erklärte Prof. Roden. Das Risiko für die Gesamtmortalität sei bei gleichzeitigem Vorliegen von MASLD und Typ-2-Diabetes bis zu fünffach erhöht, wobei die Hauptursache für die Mortalität dann in der kardiovaskulären Erkrankung und nicht in der Leberzirrhose zu sehen sei. Als klinischen Auftrag gab Prof. Roden dem Auditorium daher mit auf den Weg, Diabeteserkrankungen zu diagnostizieren und proaktiv Menschen mit Typ-2-Diabetes nicht nur auf das Vorliegen, sondern vor allem den Schweregrad einer MASLD zu untersuchen (Entzündung, Fibrose) und die Therapie interdisziplinär zu planen. 

Dr. Karin Kreuel

Diabetes Kongress 2024

Literatur:

  1. Xourafa G et al. Nat Rev Endocrinol 2024; 20 (1): 27-49; doi: 10.1038/s41574-023-00898-1
  2. Zaharia O et al. Diabetes Care 2020; 43:2161–2168; doi:102337/dc20-0329
  3. Pafili K et al. J Hepatol 2022; 77:1504–1514; doi:10.1016/j.hep.2022.08.010