Stoffwechsel im Standby-Modus

Wie sicher ist intermittierendes Fasten bei insulinbehandeltem Typ-2-Diabetes?

GRAZ.  Viele Menschen mit Typ-2-Diabetes kämpfen mit ihrem Körpergewicht: Sie haben es schwer, abzunehmen, oder nehmen unter der Therapie sogar weiter zu. Intermittierendes Fasten kann helfen, diesen Teufelskreis zu unterbrechen. Außer der Gewichtsabnahme profitiert auch der Glukosespiegel.

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Eine wichtige Therapiesäule beim Typ-2-Diabetes ist die Ernährung. Im Rahmen einer Insulintherapie ist die Gewichtsabnahme allerdings besonders schwierig, berichtet Dr. Anna Obermayer von der Forschungseinheit für interdisziplinäre metabolische Medizin an der Universität Graz: Die Insulinbehandlung begünstigt eine Gewichtszunahme, wodurch die Insulinresistenz zunimmt und wiederum noch höhere Insulindosen erforderlich werden. 

Im Rahmen der INTERFAST-2-Studie untersuchten Dr. Obermayer und ihr Team, welche Vor- und Nachteile intermittierendes Fasten für Menschen mit einem insulinbehandelten Typ-2-Diabetes und ungünstiger Stoffwechsellage hat. Beim intermittierenden Fasten wird die Nahrungsaufnahme z. B. auf einen bestimmten Zeitraum pro Tag begrenzt oder es wechseln sich Fastentage mit Tagen normaler Nahrungszufuhr ab (s. Kasten). Allerdings gelten Fastenperioden unter einer Insulintherapie als nicht ungefährlich, warnt die Forscherin, denn es drohen Hypoglykämien. 

Unterschiedlich lange Essenspausen
Je nach persönlicher Präferenz und Disziplin bei der Nahrungsabstinenz kann man zwischen verschiedenen Varianten des Intervallfastens wählen, wobei die Zeitfenster durchaus individuell angepasst werden können:
  • Ganze Fastentage (Es gibt ein bis drei nicht aufeinanderfolgende Tage pro Woche ohne bzw. mit maximal 600 kcal Energiezufuhr.)
  • 36:12-Rhythmus (36 Stunden Fasten und 12 Stunden normale Nahrungszufuhr wechseln sich ab.)
  • 20:4-Rhythmus (Jeden Tag gibt es ein Zeitfenster von 4 Stunden zum Essen, sonst wird gefastet.)
  • 16:8-Rhythmus (Jeden Tag gibt es ein Zeitfenster von 8 Stunden zum Essen, dazwischen wird gefastet, besonders alltagstaugliche Methode.)
  • 14:10-Rhythmus (Jeden Tag gibt es ein Zeitfenster von 10 Stunden zum Essen, dazwischen wird gefastet, oft „Dinner-Cancelling“ genannt.)
 

An ihrer randomisierten kontrollierten Studie nahmen 46 Erwachsene mit Typ-2-Diabetes teil. Einschlusskriterien waren eine tägliche Insulinzufuhr von mindestens 0,3 IU pro kg Körpergewicht und ein HbA1c von ≥ 7,0 %. Die Teilnehmenden waren im Schnitt 63 Jahre alt, hatten einen BMI von 34,3 kg/m2 und wiesen trotz einer täglichen Insulindosis von durchschnittlich 56 IU einen HbA1c-Wert von durchschnittlich 8,3 % auf. Alle wurden initial auf ein einheitliches Basalinsulin umgestellt, erhielten einen Glukosesensor und absolvierten eine Ernährungsberatung. 

Anleitung zur Anpassung der Insulindosis an Fastentagen
Die 22 Personen der Interventionsgruppe fasteten anschließend über einen Zeitraum von zwölf Wochen jeweils an drei nicht aufeinander­folgenden Tagen pro Woche. An diesen Tagen nahmen sie nur ein Viertel der üblichen Kalorienmenge zu sich, wobei eine Nahrungsaufnahme lediglich am Morgen und/oder am Mittag erlaubt war, um eine 18-stündige Fastenperiode zu gewährleisten. An den übrigen vier Tagen bestanden dagegen keine Einschränkungen hinsichtlich der Ernährungsweise oder Kalorienzufuhr. 

Um das Hypoglykämierisiko an den Fastentagen zu senken, erhielten die Personen eine Anleitung zur Anpassung ihrer Insulindosis. Die 24 Personen der Kontrollgruppe unterlagen während des Studienzeitraums keinen besonderen Diätauflagen. 

Was geschieht mit HbA1c-Wert, Gewicht und Insulindosis?
Nach zwölf Wochen hatte der HbA1c-Wert in der Interventionsgruppe im Schnitt um 2,8 Prozentpunkte abgenommen, in der Kon­trollgruppe dagegen war er minimal gestiegen. Dieser Unterschied behielt auch bei Berücksichtigung verschiedener potenzieller Einflussfaktoren seine statistische Signifikanz. 

Die Teilnehmenden der Interventionsgruppe verbrachten auch deutlich weniger Zeit oberhalb des Glukose-Zielbereichs von 70–180 mg/dl (30,4 % vs. 42,1 %), wohingegen sich die Zeit unterhalb des Zielbereichs in beiden Gruppen nur geringfügig unterschied (1,6 vs. 1,3 %). Acht Personen der Interventionsgruppe (40 %), aber keine der Kontrollgruppe (p < 0,001) erreichten nach zwölf Wochen die Kombination folgender Behandlungsziele: Gewichtsabnahme um mindestens 3 %, Reduktion der Insulindosis um mindestens 10 % und Abnahme des HbA1c-Werts um mindestens 2,4 Prozentpunkte. 

Insgesamt bewirkte das intermittierende Fasten eine Gewichtsreduktion um durchschnittlich 4,8 kg und eine Senkung der Tagesinsulindosis um 9 IU. Die Kontrollpersonen nahmen dagegen etwa 0,3 kg Gewicht zu (p < 0,001) und benötigten 4 IU mehr Insulin (p = 0,008). Schwere Hypoglykämien traten im Studienkollektiv nicht auf.

Das intermittierende Fasten wirkte sich auch positiv auf die subjektive Lebensqualität der Studienteilnehmenden aus, berichten die Forschenden abschließend. Sie halten die beschriebene Strategie für eine praktikable Methode zur Optimierung der glykämischen Kontrolle, des Gewichts und der Insulindosis bei Personen mit einem insulinbehandelten Typ-2-Diabetes. Hypoglykämien können durch eine Anpassung der Insulindosis an den Fastentagen und ein kontinuierliches Glukosemonitoring vermieden werden. 

Dr. Judith Lorenz

Literatur:
Obermayer A et al. Diabetes Care 2023; 46: 463-468; doi: 10.2337/dc22-1622