Neue Medikamente und Forschungsansätze
BERLIN. Neue Medikamente zum Abnehmen und neue Forschungsergebnisse, die zeigen, auf welch unterschiedliche Weise das Gehirn von Mann und Frau an der Entstehung von Insulinresistenz und kognitiven Beeinträchtigungen beteiligt ist. Diese Themen wurden während der Pressekonferenz diskutiert.
Der Hype um die „Abnehmspritzen“ mit Semaglutid und Tirzepatid (wir berichteten mehrfach) blieb nicht ohne Folgen: Die Versorgung vor allem von Menschen mit Typ-2-Diabetes unter inkretinbasierten Therapien wurde immer wieder durch Lieferengpässe gefährdet, die bis heute anhalten. Die DDG steht dem Einsatz von inkretinbasierten Therapien als Lifestyle-Medikament daher sehr kritisch gegenüber, betonte Kongresspräsident Professor Dr. Baptist Gallwitz. Inkretinbasierte Medikamente führten zwar zu einer beachtlichen Gewichtsabnahme von bis zu knapp 20 % des Ausgangsgewichts, die Abnahme komme aber nach etwa sechs bis zwölf Monaten zum Stillstand.
Nach aktueller Studienlage legen die Patient*innen auch gleich wieder an Gewicht zu, sobald sie diese Arzneimittel absetzen. Aus zahlreichen Studien sei zudem bekannt, dass die Behandlung von Adipositas nur mit Medikamenten ohne Lebensstilintervention, kontinuierliche Ernährungsberatung, Bewegungs- und psychologische Begleittherapie deutlich weniger erfolgreich ist. Im DMP Adipositas hätten daher Medikamente inklusive der inkretinbasierten Therapien noch keinen festen Platz, so der Pressesprecher der DDG.
Doppel- und Mehrfachagonisten in der Pipeline
Zur Therapie des Typ-2-Diabetes und der Adipositas zugelassen ist mittlerweile auch ein erster Inkretin-Doppelagonist (Tirzepatid), der sowohl die Rezeptoren von GIP als auch von GLP1 stimuliert. Diese Doppel- und Mehrfachagonisten sind vermutlich noch stärker wirksam als die klassischen GLP1-RA und können so möglicherweise auch gezielt Stoffwechselwirkungen zusätzlich modulieren, erklärte Prof. Gallwitz. Neben dem ersten GIP/GLP1-RA Tirzepatid befänden sich derzeit viele weitere Substanzen in der klinischen Prüfung.
Diabetische Polyneuropathie: meist nur Symptomlinderung
Die diabetische Neuropathie sei eine der häufigsten mikrovaskulären Komplikationen, sowohl des Typ-1- als auch des Typ-2-Diabetes, so die Vizepräsidentin der DDG, Professor Dr. Julia Szendrödi. Studien zeigten zudem, dass bereits bei Prädiabetes eine höhere Prävalenz sowohl der diabetischen sensomotorischen Polyneuropathie (DSPN) als auch der kardiovaskulären autonomen Neuropathie im Vergleich zu gesunden Menschen bestehe, erklärte sie. Die DSPN sei jedoch häufig unterdiagnostiziert und unterbehandelt, das Screening auf Neuropathie in der hausärztlichen Versorgung oft nicht ausreichend genutzt. Ärzt*innen sollten sich daher mindestens einmal im Jahr die Füße der Patient*innen zeigen lassen.
Die Erkrankung werde heute vor allem über die Kontrolle der Risikofaktoren wie zu hohe Cholesterinwerte oder Hochdruck behandelt, führte Prof. Szendrödi an. Therapien, welche die Krankheit direkt angingen, würden selten bei schmerzhafter Polyneuropathie angewandt, stattdessen liege der Schwerpunkt meist auf der Symptomlinderung. Behandlungen, die neuropathische Schmerzen lindern sollen, erwiesen sich jedoch oft als wenig wirksam und schlecht verträglich, erläuterte sie. Umso wichtiger sei daher die frühe Aufklärung über präventive Maßnahmen, wie regelmäßige Fußkontrollen und die Einstellung von Blutdruck, Cholesterin und Blutglukosewerten. Die Patient*innen sollten, falls erforderlich, abnehmen und nicht rauchen.
Auf Geschlechterunterschiede bei der Insulinempfindlichkeit deuten zudem aktuelle Forschungsergebnisse hin. Dass der Menstruationszyklus die Insulinaktivität im Gehirn beeinflussen kann, zeigt eine Studie. Und je älter Frauen werden, desto mehr nimmt bei ihnen die Insulinwirkung ab. Das könnte für kognitive Beeinträchtigungen und möglicherweise die Mitentstehung einer Alzheimer-Erkrankung verantwortlich sein, erläuterte Professor Dr. Stephanie Kullmann, Stv. Leiterin der Abteilung Metabolic Neuroimaging am Institut für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen (IDM, Helmholtz Munich an der Universität Tübingen). Eine Insulinresistenz findet sich besonders häufig bei Menschen mit Adipositas, aber auch Unterschiede zwischen Männern und Frauen spielen eine Rolle.
Angela Monecke
Pressekonferenz Diabetes Kongress 2024