Holt sich Özdemirs Ernährungsstrategie den Sieg?

Diabetesexperten hoffen auf einen Volltreffer bei den Präventionsmaßnahmen

BERLIN.  Gesundes Essen als Gamechanger? Das steht bei Bundesernährungsminister Cem Özdemir (Grüne) längst auf dem Spielplan. Gegen seine Ernährungsstrategie feuert die Koalition jedoch immer wieder. Vor allem beim Werbeverbot für Kinderlebensmittel erweist sich die FDP als Gegner, wie schon bei der Zuckersteuer.

Dirk Michael Deckbar/diabetesDE

Das zeigte sich auch wieder bei der „Dritten Halbzeit“, einer gesundheitspolitischen Podiumsdiskussion, die von der Organisation diabetesDE regelmäßig – dieses Mal mitten im EM-Fieber – im Anschluss an ein Fußballmatch zwischen Vertreter*innen der Diabetesszene und des Bundestages veranstaltet wird. Thema: „Welche Maßnahmen einer Ernährungsstrategie können bei der Prävention des Typ-2-Diabetes helfen?“

Inklusive Dunkelziffer dürften hierzulande etwa elf Mio. Menschen mit Diabetes leben, Tendenz steigend. Als vorbeugende Maßnahmen fordert die Deutsche Diabetes Gesellschaft seit Langem mehr Kinderschutz in der Lebensmittelwerbung, eine „gesunde Mehrwertsteuer“ und eine verbindliche Ernährungsstrategie. Ein Update zur Umsetzung gab es bei der „Dritten Halbzeit“. „Gutes Essen für Deutschland“ heißt die Strategie der Regierung, die der Bundestag im April beraten hat. Sie will es den Menschen leichter machen, auf gutes Essen statt auf ungesundes Fastfood zu setzen. Bis 2050 soll dieses Ziel erreicht sein. 

Zu den Maßnahmen zählen u. a. die Vorgabe verbindlicher Qualitätsstandards für Essen in Kitas, Schulen und weiteren Gemeinschaftseinrichtungen. Knapp 17 Mio. Menschen, darunter sechs Mio. Kinder und Jugendliche, essen täglich in solchen Einrichtungen, so der Minister. Die Ernährungsstrategie sieht er hier als „Riesenchance“. Allerdings wünscht sich Özdemir „etwas mehr Einigkeit“ in der Koalition, was die legislativen Maßnahmen wie die Regulierung der an Kinder gerichteten Werbung angeht. „Wir sind dran. Ich hoffe, dass ich bald Vollzug melden kann.“

Gegen den Entwurf des sog. Kinderlebensmittelwerbegesetzes, aber auch gegen die sog. Zuckersteuer sprach sich der FDP-Abgeordnete Dr. Gero Hocker aus. „Wir setzen auf Ernährungsbildung und mehr Bewegung im Alltag, anstatt eine Zuckersteuer zu erheben.“ Mehr Verbindlichkeit für die Lebensmittelindustrie forderte hingegen Dietrich Monstadt, MdB der CDU. Er geht davon aus, dass eine Selbstverpflichtung für eine Zuckerreduktion nicht ausreicht.

Bei der Ernährungsstrategie wünscht sich Dr. Jens Kröger, Vorstandsvorsitzender von diabetesDE, „noch viel mehr Verhältnisprävention und konkrete Maßnahmen“. „Aber ich habe das Gefühl, irgendjemand in der Ampelkoalition bremst hier ständig“, sagte der Diabetologe. 

Beim geplanten „Gesundes-Herz-Gesetz“ fand er besonders klare Worte: Er sei „geradezu entsetzt über das Verschieben von Prävention aufs Abstellgleis“. Dies nannte er „unverantwortlich“. Man müsse „die Menschen mitnehmen mit gesunden Ernährungs- und Bewegungsangeboten, auch hier steht jemand auf der Bremse“. Den Menschen mit Dia­betes laufe jedoch die Zeit davon.

Angela Monecke