Wann hat das Warten ein Ende?

Kleinkinder mit Diabetes haben den größten Bedarf, sind aber noch unzureichend mit AID-Systemen versorgt

BERLIN.  AID-Systeme sind ein Game-Changer in der Diabetestherapie. Doch für Kleinkinder stehen diese Systeme nur eingeschränkt zur Verfügung, denn für diese Altersgruppe sind nur wenige Systeme zugelassen oder praktikabel. 

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Dabei ist gerade für kleine Kinder mit Diabetes ein gutes, technisch unterstütztes Therapieangebot enorm wichtig – und deshalb fordert die DDG einen leichteren und schnelleren Zugang zu modernen Systemen wie automatisierten Insulin-Dosierungssystemen (AID-Systeme).

Mehr als 60 % der Kinder und Jugendlichen und etwa 40 % der Erwachsenen mit Typ-1-Diabetes nutzen Insulinpumpen. „Ein entscheidender Wendepunkt war 2016 die Verordnungsfähigkeit von kontinuierlichen Glukosemesssystemen“, erklärt Professor Dr. med. Andreas Neu, Past-Präsident der DDG und Arzt für Kinder- und Jugendmedizin. „Diese Technologie hat zusammen mit den automatisierten Insulinabgabe-Systemen die Diabetestherapie grundlegend verändert.“

Zulassungsverfahren vereinfachen und beschleunigen
Besonders Kleinkinder mit Typ-1-Diabetes können von den Fortschritten in der Diabetes-Technologie profitieren. Bei ihnen ist die Glukoseeinstellung häufig schwierig; sie benötigen meist nur eine geringe Insulinmenge und ihr Ess- und Aktivitätsverhalten ist schwer vorhersehbar. Ihre Eltern sind durch die erschwerten Verhältnisse besonders belastet. Deshalb könnten AID-Systeme speziell für diese Zielgruppe sowie ihre Angehörigen von großem Nutzen sein. „Der Zugang für diese Patientengruppe zu den modernen Systemen ist uns daher ein besonderes Anliegen“, so Prof. Neu. „Aber aktuell sind nicht alle Systeme für die Jüngsten zugelassen.“ Eine internationale Studie bestätigt eine hohe Effektivität der Nutzung von AID-Systemen bei Vorschulkindern.

Wie in allen Bereichen der Medizinprodukte und Arzneimittelentwicklung werden die Systeme oft zunächst für Erwachsene oder ältere Kinder und Jugendliche überprüft. Daher gibt es derzeit nur begrenzte Optionen für Kinder unter sieben Jahren. „Es ist daher notwendig, die Zulassungsverfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen, damit die jüngsten Patientinnen und Patienten schnellstmöglich am Fortschritt teilhaben können“, fordert Prof. Neu.

Die Rahmenbedingungen müssen stimmen
Um die neuen Technologien für Menschen mit Diabetes besonders effektiv nutzbar zu machen, müssen die Rahmenbedingungen stimmen: Diabetes-Teams müssen kontinuierlich geschult werden, um mit den sich ständig weiterentwickelnden Systemen Schritt zu halten. Zudem benötigen Betroffene umfassende Schulungen und Sprachkenntnisse, um die komplexen Technologien zu verstehen und richtig anzuwenden.

„Eine gründliche Schulung und regelmäßige Auffrischungen sind entscheidend für den Therapieerfolg“, betont Prof. Neu. „Schließlich sind auch Selektivverträge und unterschiedliche Softwarelösungen der AID-Systeme problematisch. Eine Vereinfachung der bürokratischen Hürden und eine höhere Interoperabilität der Systeme wären wünschenswert, um die Versorgungssituation weiter zu verbessern.“ Und an die Kassen gewandt sagte er: „Die Kostenträger müssen die Kosten für alle Systeme übernehmen, sodass individuelle Lösungen möglich sind.

Nicole Finkenauer

Literatur:
Wadwa, R. P. et al. N Engl J Med 2023, 388: 991–1001; doi: 10.1056/NEJMoa2210834