Durchbruch in der Frühintervention

Infusionstherapie mit Teplizumab kann Manifestation des Typ-1-Diabetes um einige Jahre hinauszögern

ROCKVILLE.  Bei internationalen Kongressen ist die Option einer immunsuppressiven Therapie bereits seit etlichen Jahren Thema. Mitte November 2022 nun hat die US-amerikanische Zulassungsbehörde FDA den ersten Anti-CD3-Antikörper zugelassen, der bei Risikopatient*innen mit Stadium 2 den symptomatischen Ausbruch der Autoimmunerkrankung verzögern kann.

AdobeStock_davit85

Je mehr Kinder mit genetischer Prädisposition für Typ-1-Diabetes durch die Früherkennungsprogramme Fr1da, Freder1k und Fr1dolin herausgefiltert werden, umso dringlicher wird die Frage nach effektiven Therapien, die einen Ausbruch verhindern oder hinauszögern können.

Die orale Gabe von Insulin zur sekundären Prävention als einer der Hoffnungsträger ist von einer Zulassung immer noch weit entfernt. Aktuell rekrutiert z.B. die Fr1da Insulin Intervention Study weitere Proband*innen – doch die Studie soll erst im September 2024 abgeschlossen sein.

Prävention durch Immun­suppression
Teplizumab bindet an den CD3-Rezeptor, der an der Aktivierung von Immunzellen beteiligt ist, die für den Angriff auf die Betazellen verantwortlich sind. Durch die CD3-Blockade verhindert Teplizumab dies und erhöht zugleich den Anteil der Zellen, die bei der Moderation des Immunprozesses helfen können. Auf diese Weise stoppt Teplizumab den Autoimmunprozess, der schließlich zur klinischen Manifestation des Typ-1-Diabetes führt. Die Zulassungsstudie unterstützt die Einschätzung, dass es sich bei Typ-1-Diabetes um eine chronische T-Zell-vermittelte Erkrankung handelt. Daraus ergibt sich, dass eine Immunmodulation vor der klinischen Manifestation hilfreich ist.

Anders sieht es bei der immunsuppressiven Therapie mit Teplizumab (Tzield™) aus, das jüngst von der FDA die Zulassung zur Therapie von Erwachsenen und Kindern ab acht Jahren erhalten hat. „Die Substanz hat das Potenzial, die klinische Diagnose Typ-1-Diabetes hinauszuzögern und Patient*innen zu Monaten oder gar Jahren ohne die Belastungen der Erkrankung zu verhelfen“, erklärte Dr. John Sharretts vom FDA-Zentrum für pharmakologische Studien und Forschung. Weil es sich um einen echten Therapiedurchbruch („breakthrough therapy“) handeln könnte, durchlief Teplizumab eine priorisierte, schnellere Überprüfung („priority review“).

An der Zulassungsstudie1 nahmen 76 Proband*innen mit Typ-1-Diabetes im Stadium 2 teil, die über 14 Tage täglich eine Infusion entweder mit Teplizumab oder Placebo erhielten. Primärer Endpunkt war die Zeit von der Randomisierung bis zur Entwicklung eines Typ-1-Diabetes Stadium 3. 

50 statt 25 Monate bis zur Progression in Stadium 3
Nach durchschnittlich 51 Monaten Nachbeobachtungszeit hatten von den 44 Personen im Teplizumab-Studienarm 45 % die klinische Dia­gnose Typ-1-Diabetes erhalten. In der Placebogruppe (n = 32) lag die Quote bei 72 %. Im Mittel dauerte es in der Studiengruppe 50 Monate bis zur Progression in Stadium 3, in der Placebogruppe nur 25 Monate.

Als häufigste Nebenwirkung kommt es zu passageren Lymphopenien, die in der Zulassungsstudie aber nicht zu vermehrten Infektionen oder einer dauerhaften Aktivierung des Epstein-Barr-Virus führten. Auch Hautreaktionen traten bei etlichen Proband*innen auf. Insgesamt bewertete man die Nebenwirkungen aber als milde und beherrschbar. Die Chance auf mehrere zusätzliche diabetesfreie Jahre macht diese Nebenwirkungen mehr als wett: Bereits nach der Veröffentlichung der Zulassungsstudie in 2019 hatten Expert*innen wie Professor Dr. Anette-Gabriele Ziegler vom Helmholtz Zentrum München betont, dass jedes Jahr der Verzögerung der Manifestation auch langfristig die Mortalität senken kann. 

Einem breiten Einsatz von Teplizumab stehen aktuell vor allem zwei Faktoren entgegen. Das Medikament ist sehr teuer: Medienberichten zufolge rechnet man mit Kosten von knapp 200.000 Dollar für die 14-tägige Infusionstherapie. Außerdem setzt die Behandlung voraus, dass möglichst viele Personen mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko frühzeitig identifiziert werden.

Antje Thiel

1. Herold C et al. NEJM 2019; 381: 603-613; doi: 10.1056/NEJMoa1902226