Fortbildung live und persönlich erleben – oder lieber online vom heimischen Sofa aus?
BERLIN. Während der strengen Kontaktbeschränkungen im Zuge der Coronapandemie waren virtuelle Veranstaltungen die einzige Möglichkeit, wissenschaftliche Tagungen durchzuführen. Doch mittlerweile erobern sich auch Präsenz-Veranstaltungen den Markt wieder zurück, denn für viele Teilnehmende ist der persönliche Austausch vor Ort nicht unerheblich. Was bedeutet das für die Zukunft der DDG Fortbildungen?
Wer Ende Mai 2022 die DDG Jahrestagung in Berlin besucht hat, erinnert sich an volle Vortragssäle und Seminarräume, Menschentrauben auf den Rolltreppen und Schlangen an den Kaffeetheken in der Industrieausstellung. Ein Treiben fast so wie in Zeiten vor der Pandemie.
Doch längst nicht alle der insgesamt knapp 6.500 Teilnehmer*innen besuchten den Jahreskongress mit seinen 74 Symposien auch wirklich leibhaftig. Zum Vergleich: Während sich gut 3.800 Menschen am Himmelfahrt-Wochenende tatsächlich im CityCube tummelten, waren knapp 2.600 Personen teils vor Ort, teils virtuell zugeschaltet. Weniger als 60 verfolgten die 40 Sitzungen, die online übertragen und aufgezeichnet wurden, ausschließlich am heimischen Bildschirm.
Wie viele sind wann und warum nach Berlin gekommen?
Die Online-Teilnahme war vor allem am letzten Kongresstag beliebt: Am Samstag zogen es viele Teilnehmer*innen (knapp 2.200) vor, den Kongress online zu verfolgen, während nur noch gut 1.100 live vor Ort dabei waren.
Um herauszufinden, wie das Hybrid-Konzept bei den Teilnehmer*innen ankommt und was diese sich für künftige Tagungen wünschen, bat die DDG im Nachgang alle, an einer kurzen Umfrage teilzunehmen. Schließlich möchte sie ihr Fortbildungsangebot auch weiterhin möglichst passgenau und zukunftsgerecht gestalten und dabei die Bedürfnisse sowie Anforderungen an Fort- und Weiterbildungsformate der Teilnehmer*innen bestmöglich berücksichtigen. An der Umfrage nahmen insgesamt 385 Personen teil, davon 254 Mitglieder und 131 Nichtmitglieder der DDG. Die große Mehrheit von ihnen waren Ärzt*innen (n = 186) und andere Gesundheitsfachkräfte (n = 179).
Nach den Gründen für ihre Vor-Ort-Teilnahme gefragt, nannten die Präsenz-Teilnehmer*innen in erster Linie den persönlichen Austausch vor Ort (42 %). Aber auch Arbeitstreffen mit Kolleg*innen (gut 26 %), das Live-Erlebnis von Vorträgen und Diskussionen (25 %) sowie der Besuch von Posterausstellung und Fachmesse (24 %) machen die Präsenz-Teilnahme attraktiv. Diejenigen, die den Mix aus Präsenz- und virtueller Teilnahme gewählt hatten, mochten den persönlichen Austausch ebenfalls nicht missen (65 %) – fanden die individuelle Kombination aus beiden Teilnahmearten aber besser mit ihren beruflichen und familiären Verpflichtungen zu vereinbaren (55 %). Auch die Möglichkeit, bei parallelen Sitzungen eine live zu besuchen und die andere später in der Mediathek anzuschauen, wissen etliche zu schätzen (26 %).
Als Top-Argumente für die rein virtuelle Teilnahme klickten die Befragten an, dass diese weniger Organisationsaufwand bedeutet und Zeit spart. Doch auch das geringere Infektionsrisiko spielte eine wichtige Rolle, gefolgt von der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf und der geringeren Klimabelastung durch Anreise und Ressourcenverbrauch vor Ort.
Hybrides Konzept gewünscht – und bitte alles online abrufbar
Für die Zukunft wünscht sich die überwältigende Mehrheit (gut 65 %) eine Fortsetzung des hybriden Konzepts. Allerdings besteht hierbei der Wunsch nach einem möglichst vollständigen Online-Angebot anstelle nur ausgewählter Sitzungen, die gestreamt und aufgezeichnet werden. Lediglich 20 % können sich für rein virtuelle Kongresse erwärmen, und sogar nur gut 10 % möchten zu reinen Präsenz-Veranstaltungen zurückkehren.
Hätte es im Mai kein Hybrid-Angebot gegeben, wären gut 43 % der Befragten definitiv nach Berlin gekommen. Etwa 13 % waren bei dieser Frage unentschlossen, doch 38 % hätten in einem solchen Fall lieber auf die Kongressteilnahme verzichtet. Aus den Antworten in den Freitextfeldern wurde deutlich: Wer weiter entfernt wohnt, Kinder zu betreuen hat, erst die Chefetage von der Kongressteilnahme überzeugen muss oder seine Ausgaben im Blick behalten muss (Stichwort Anreise, Unterbringung, Verpflegung), ist besonders dankbar für OnlineAngebote zur Fortbildung. In den Freitextfeldern wurden aber noch viele weitere Gründe für die die verschiedenen Formen der Teilnahme genannt.
Nachhaltigkeit beachten
Für die DDG geht es nun darum, diese Erkenntnisse in die Planung künftiger Tagungen einfließen zu lassen. Neben den Wünschen der Kongressbesucher*innen spielen hierbei auch die ökologische Nachhaltigkeit und der organisatorische Aufwand eine Rolle. Klar ist: Virtuelle Kongresse sind klimafreundlicher als Präsenz-Veranstaltungen. Doch das besonders populäre Hybrid-Format schlägt auch mit deutlich höheren Kosten zu Buche – und diese lassen sich unter Umständen nur mit höheren Ticketpreisen und Standgebühren für die Industrie auffangen. In Teil 2 unserer Reihe beleuchten wir daher die Klimabilanz von Kongressen, in Teil 3 den (Kosten-)Aufwand für Planung und Organisation.
Antje Thiel