Auch bei Typ-1-Diabetes das Gewicht im Blick behalten

Bei der kardiovaskulären Prävention ist noch Luft nach oben

MADRID.  Hypertonie, Cholesterin, Rauchstatus, Nierenfunktion und körperliche Aktivität gelten als anerkannte Marker, um das Risiko für Herzinfarkte oder Schlaganfälle einzuschätzen. Doch vieles spricht dafür, auch den Body Mass Index (BMI) und das Verhältnis zwischen Taillenumfang und Körpergröße zu berücksichtigen.

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Mit dem Risikorechner ST1RE (s. Kasten) steht seit 2019 ein valides Instrument zur Einschätzung des individuellen kardiovaskulälren Risikos bei Menschen mit Typ-1-Diabetes zur Verfügung. Bislang gehören Körpergewicht und andere damit assoziierte Werte nicht zu den abgefragten Parametern. Doch Übergewicht und Adipositas sind  keine Domäne des Typ-2-Diabetes mehr, wie Dr. Laurence Salle vom Universitätskrankenhaus Limoges (Frankreich) betonte: „Mittlerweile haben 31 % von ihnen Übergewicht, und weitere 18 % sind adipös.“ 

Steno Typ 1 Risk Engine (ST1RE)

Das Online-Tool wurde am Steno Diabetes Center in Dänemark entwickelt, um eine bessere Einschätzung der individuellen Risiken für kardiovaskuläre Ereignisse zu ermöglichen. Er wurde speziell für Menschen mit Typ-1-Diabetes konzipiert und berücksichtigt neben klassischen Risikofaktoren wie Blutdruck, Cholesterinwerten und Rauchen auch diabetesspezifische Variablen wie Diabetesdauer, HbA1c-Wert und eventuelle Nierenkomplikationen.

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Höhere Risiken für Hypertonie, Retinopathie und MACE 
Auch Enrique Soto-Pedre von der Universität Dundee (Schottland) steuerte aktuelle Daten zum Zusammenhang zwischen Übergewicht bzw. Adipositas und dem kardiovaskulären Risikoprofil von Menschen mit Typ-1-Diabetes bei. In einer Studie an knapp 2.000 von ihnen – der Anteil adipöser Proband*innen lag bei 18,9 % – lag die Wahrscheinlichkeit, binnen zehn Jahren keine Hypertonie zu entwickeln, bei den Normalgewichtigen bei 74 %, bei Personen mit Übergewicht hingegegen bei 57 % und bei den Adipösen nur noch bei 41 %. 

Metabolisches Gedächtnis: Lipidbelastung nicht vergessen
Ähnlich sah es bei der Wahrscheinlichkeit aus, von einer diabetischen Retinopathie verschont zu bleiben. Die Rate kardiovaskulärer Majorereignisse (MACE) stieg auch in der von ihm untersuchten Kohorte proportional zum Körpergewicht. „Das unterstreicht, wie wichtig es ist, auch bei Menschen mit Typ-1-Diabetes das Gewichtsmanagement in die Therapie aufzunehmen“, erklärte der Diabetologe und Datenanalyst.

Für die Entwicklung einer koronaren Herzkrankheit (KHK) spielt auch das sogenannte metabolische Gedächtnis eine Rolle, berichtete Rebecka J. Bergdal von der Universität Helsinki (Finnland). Die FinDiane Study Group, mit der sie Langzeitkomplikationen des Diabetes erforscht, hat in diesem Zusammenhang neben der kumulativen glykämischen Exposition auch die anhaltende Lipidbelastung als Risikofaktor im Blick. Eine Analyse der Daten einer Subkohorte aus 1.121 Patient*innen bestätigte die Annahme, dass auch eine anhaltende Lipidbelastung das KHK-Risiko erhöht. 

Bergdals Fazit: „Hyperglykämie und Dyslipidämie sind unabhängige Risikofaktoren für KHK bei Typ-1-Diabetes. Es sei daher wichtig, dass Patient*innen möglichst wenig Zeit mit HbA1c-Werten oberhalb von 7 % verbringen. „Daneben darf aber auch das Lipidmanagement bei Typ-1-Diabetes nicht vergessen werden.“ 

Antje Thiel

Literatur:
Salle L et al. Diabetes 2024; 73 (Supplement_1): 1458-P; doi:10.2337/db24-1458 

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