44 Jahre UKPDS: Intensive Therapie zahlt sich langfristig aus

Interventionen in der Meilenstein-Studie reduzieren offenbar auch das Demenzrisiko

STOCKHOLM.  Die United Kingdom Prospective Diabetes Study (UKPDS) gilt als eine der wichtigsten Studien zum Typ-2-Diabetes in der Geschichte der Diabetologie. 44 Jahre nach Beginn der Datenerhebung liegen nun die Ergebnisse eines Post-Monitoring-Abgleichs mit den Daten des britischen National Health Service (NHS) von fast 500 Teilnehmenden vor. 

Die UKPD-Studie lief zwischen 1977 und 1997. Die Meilenstein-Studie liefert aber immer noch wichtige Ausblicke in die Zukunft.
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Wir haben 484 Teilnehmende aus der Original-Kohorte ausfindig gemacht, die Ende September 2021 noch am Leben waren“, berichtete Professor Dr. Amanda Adler vom Oxford Centre for Diabetes, Endocrinology and Metabolism an der Universität Oxford. Für den gesamten Zeitraum lässt sich nun sagen, dass die Effekte der UKPDS-Interventionen auch nach 44 Jahren noch messbar sind. 

Die frühzeitige intensive glukosesenkende Therapie mit Sulfonylharnstoffen oder Insulin führte zu 11 % weniger Todesfällen und 26 % weniger mikrovaskulären Komplikationen, wie ihr Kollege und UKPDS-Leiter Professor Dr. Rury R. Holman erläuterte. Auch der frühe Einsatz von Metformin zeigte nachhaltig Wirkung, nämlich 31 % weniger Herzinfarkte und 25 % weniger Todesfälle.

Frühe Diagnose und intensive Behandlung wirken nachhaltig
„Diese wichtigen Erkenntnisse unterstreichen noch einmal, wie wichtig es ist, Typ-2-Diabetes zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu dia­gnostizieren und intensiv zu behandeln.“ Um das Risiko für Komplikationen zu verringern und die Lebenserwartung zu verbessern, gelte es vom ersten Tag an, möglichst normnahe Glukosewerte anzustreben. „Eine frühe Therapie mit Metformin scheint das Komplikationsrisiko zusätzlich zu reduzieren und die Lebenserwartung zu verlängern“, sagte Prof. Dr. Holman.

Damals ungewöhnlich: die Erfassung der Lebensqualität
Professor Philip Clarke, der an der Oxford Universität das Zentrum für Gesundheitsökonomie leitet, wies darauf hin, dass man in der UKPD-Studie neben der Lebenserwartung auch die Lebensqualität der Patient*innen erfasst hat: „Das war seinerzeit ziemlich revolutionär.“ Als messbare Größe taucht das „qualitätsadjustierte Lebensjahr“ (quality adjusted life year, QALY) in den UKPDS-Daten auf. Seine Kostenkalkulation ergab, dass man pro gewonnenem QALY etwa 6.000 britische Pfund für eine intensive glukosesenkende Therapie mit Sulfonylharnstoffen oder Insulin aufwenden muss: „Das ist aus ökonomischer Sicht ein gutes Ergebnis.“ 

Tatsächlich ging die Zahl der mittels intensiver Intervention gewonnenen Lebensjahre bzw. QALY sogar deutlich über die 2005 berechneten Vorhersagen hinaus, betonte Prof. Clarke und schloss: „Bereits kostengünstige Medikamente wie Metformin, die in vielen Ländern nur wenige Cent pro Tag kosten, können Menschen mit Diabetes zusätzliche Lebensjahre schenken.“

Eine der weltweit größten Studien zum Typ-2-Diabetes
  • Die eigentliche United Kingdom Prospective Diabetes Study (UKPDS) lief zwischen 1977 und 1997. Mit ihr wollte man herausfinden, ob bei Menschen mit frisch diagnostiziertem Typ-2-Diabetes eine intensive glukosesenkende Therapie Komplikationen verhindern oder hinauszögern kann.
  • Eingeschlossen wurden 4.209 übergewichtige Patient*innen mit Diabetes, die entweder eine intensive Behandlung mit Sulfonylharnstoffen oder Insulin (n = 2.729) oder eine konventionelle Therapie in Form einer Diät (n = 1.138) erhielten. Eine kleine Gruppe (n = 342) wurde mit Metformin behandelt.
  • Zwischen 1997 und 2007 folgte eine zehnjährige Follow-up-Phase, in der man die Langzeiteffekte der Randomisierung untersuchte.
  • In den folgenden 14 Jahren bis 2021 wurden die Daten der noch verbliebenen Teilnehmenden durch einen Abgleich mit NHS-Registerdaten ausgewertet.
  • In der jüngsten Analyse wurde erstmals auch das Auftreten einer Demenz berücksichtigt.
 

In der Auswertung der mit dem NHS-Register verknüpften Daten wurde erstmals auch der Zusammenhang zwischen den UKPDS-Interventionen und dem Auftreten von Demenz untersucht. „Demenz ist eine der am meisten gefürchteten Begleiterscheinungen des Alterns. Und immerhin ist das Risiko bei Menschen mit Diabetes um etwa 60 % erhöht“, so Dr. Will Whiteley vom Zentrum für klinische Hirnstudien an der Universität Edinburgh. Die vaskuläre Demenz spielt dabei eine deutlich größere Rolle als die nicht-vaskuläre, insbesondere Alzheimer-Demenz. 

Auf die Frage, inwieweit eine frühzeitige intensive glukosesenkende Therapie das Demenzrisiko von Menschen mit Diabetes senken kann, gibt es bislang keine evidenzbasierte Antwort. Die Auswertung der UKPDS-Daten zeigt nun, dass die frühzeitige Glukosesenkung mit Sulfonylharnstoffen bzw. Insulin das Demenzrisiko gegenüber der konventionellen Therapie um 14 % senken konnte. Für Metformin lag der entsprechende Wert sogar bei -21 %. 

Demenz: Metformingabe zur Vorbeugung?
Weil die Proband*innen nicht untersucht, sondern nur ihre Daten ausgewertet wurden, müsse man allerdings von einer gewissen Untererfassung der Demenzfälle ausgehen, gab Dr. Whiteley zu bedenken. Auch die fehlende Differenzierung zwischen vaskulärer und nicht-vaskulärer Demenz sei ein limitierender Faktor der Studie. Für eine generelle Empfehlung für Metformin zur Prävention von Demenz sei es aktuell noch zu früh, betonte der Forscher, verwies aber auf zwei aktuell laufende Studien, in denen Metformin als Monotherapie bei Menschen in einem frühen Stadium der Alzheimer-Demenz erprobt wird.

Antje Thiel

58th EASD Annual Meeting, Stockholm