Bis zu 16 verlorene Lebensjahre

Niereninsuffizienz als eine der ersten Folgeerkrankungen bleibt zu oft unentdeckt

WIESBADEN.  Weltweit stirbt alle fünf Sekunden ein Mensch an den Folgen seiner Diabeteserkrankung. Hierbei spielen auch renale Komplikationen eine wesentliche Rolle.

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Häufig ist es nicht der Typ-2-Dia­betes allein, der das Risiko für eine koronare Herzkrankheit (KHK) erhöht, sagte Dr. Markus Menzen vom Diabeteszentrum am Gemeinschaftskrankenhaus Bonn. Zumeist findet man weitere kardiovaskuläre Risikofaktoren. „Daher überrascht es nicht, dass die Häufigkeit von Myokardinfarkten bei Menschen mit Typ-2-Diabetes vier- bis sechsmal höher ist“, betonte der Experte. 

Die einzige Möglichkeit, die ungünstige Prognose zu verbessern, ist die gute Kontrolle aller beeinflussbaren Risikofaktoren. Wenn dies für HbA1c, Blutdruck, Albuminurie, Rauchstatus und LDL-Cholesterin gelingt, ist das Risiko für einen Myokardinfarkt vergleichbar mit dem von Menschen ohne Diabetes, wie eine große schwedische Registerstudie gezeigt hat. 

Herz- und Niereninsuffizienz stellt bei der Mehrheit der Patient*innen mit Typ-2-Diabetes die erste Folgeerkrankung dar (siehe Grafik). Das Risiko für eine Herzinsuffizienz steigt ebenfalls mit der Zahl der Risikofaktoren – aber auch bei optimaler Kontrolle bleibt hier das Risiko bei Menschen mit Typ-2-Diabetes immer noch erhöht.  

Auch eine Niereninsuffizienz (CKD) führt bei Menschen mit Typ-2-Dia­betes zu einer deutlich stärkeren Verminderung der Lebenserwartung als bei denjenigen ohne Diabetes – bei frühen CKD-Formen werden bis zu 16 Jahre verloren. Eine alleinige Albuminurie bei normaler Nierenfunktion ist bereits mit einer Erhöhung des Mortalitätsrisikos in den nächsten zehn Jahren um den Faktor 2,5 assoziiert – kommt eine eingeschränkte GFR hinzu, steigt das Risiko um das Fünffache. 

Fortgeschrittene Stadien der Niereninsuffizienz unentdeckt
Von den neun Millionen Menschen mit Nierenerkrankungen in Deutschland haben 42 % auch Dia­betes. Sehr viele Betroffene wissen allerdings gar nicht von ihrer Nierenerkrankung. Dies gilt in frühen Stadien (CKD-Stadium 1–2) für 96,6 % und selbst im fortgeschrittenen Stadium 4–5 noch für 46,7 % der Patient*innen. „Offensichtlich handelt es sich bei der Niereninsuffizienz um ein Krankheitsbild, an dem wir sehr oft vorbeischauen“, sagte Dr. Menzen. Das Albuminurie-Screening hat hier deshalb neben der Bestimmung der eGFR einen hohen Stellenwert. 

Menschen mit einer Makroalbumin­urie haben nicht nur ein erhöhtes Risiko für alle renalen Endpunkte – auch das kardiovaskuläre Risiko ist deutlich erhöht. Treten kardiovaskuläre und renale Erkrankung als kardiorenales Syndrom bei Patient*innen mit Diabetes gemeinsam auf, ist die Situation besonders fatal. Die Einschätzung des renalen und kardiovaskulären Risikos ist daher von besonderer Bedeutung und  entscheidend für die Therapiewahl.

Maria Weiß

Diabetes Herbsttagung 2022