Remission erhalten: ein realistisches Therapieziel?
STOCKHOLM. Nicht erst seit der DIRECT-Studie weiß man, dass sich die Diagnose Typ-2-Diabetes bei etlichen Menschen wieder umkehren lässt. Ob diese Normalisierung des Stoffwechsels von Dauer ist, hängt vom Zeitpunkt der Intervention, von einer nachhaltigen Lebensstiländerung und einer geeigneten Pharmakotherapie ab.
Um das Ende einer Remission festzustellen, gelten dieselben Kriterien wie bei der erstmaligen Diagnose eines Typ-2-Diabetes. Darauf hingewiesen hat Professor Dr. Blandine Laferre vom Irving Medical Center an der Columbia University in New York. Sprich: Wenn der HbA1c-Wert wieder auf über 6,5 % steigt, erneut Diabetesmedikamente nötig sind, jegliche Blutzuckerwerte oberhalb von 200 mg/dl, Nüchternblutzuckerwerte höher als 126 mg/dl oder beim oralen Glukosetoleranztest nach zwei Stunden Werte von über 200 mg/dl gemessen werden, dann ist der Diabetes zurück. „Ein einziger dieser Marker reicht aus“, betonte sie.
Dauer der Remission variiert – und es gibt keine Garantie
Ob und wie lange die Remission Bestand hat, variiert je nach Ausgangslage und Initialtherapie. Selbst eine kurzfristige intensive Insulin- oder Pharmakotherapie, ein bariatrischer Eingriff oder Änderungen der Lebensgewohnheiten sind kein Garant dafür, dass sich der Diabetes nicht erneut manifestiert. So zitierte Prof. Laferre eine Metaanalyse aus dem Jahr 2013, wonach 30 % der Patient*innen mit neu aufgetretenem Typ-2-Diabetes und HbA1c-Werten zwischen 9,7 und 11,9 %, die über zwei bis drei Wochen nach der Diagnose eine intensive Insulintherapie erhalten hatten, ein Jahr später wieder Diabetessymptome aufwiesen.1
Auch eine initiale Therapie mit GLP1-Rezeptoragonisten (GLP1-RA) scheint die Remission trotz eines positiven Effekts auf die Betazellfunktion nur bedingt erhalten zu können, da die Glukosewerte nach Ende der Therapie wieder ansteigen. Bei bariatrischen Eingriffen scheint eine nachhaltige Remission vor allem von der Behandlung vor der Operation abzuhängen. So kam es in einer Studie aus dem Jahr 2010 im Verlauf von fünf Jahren bei Patient*innen mit einem Roux-en-Y-Magenbypass (Behandlung zuvor ausschließlich mit einer Ernährungsumstellung), nur in 24 % der Fälle zu einem Rezidiv. An zweiter Stelle folgen diejenigen, die vor der OP mit oralen Antidiabetika behandelt wurden. 72 % Rückfallquote waren es bei einer präoperativen Insulintherapie).2
Daten zur Rückfallquote liefert auch die LookAHEAD-Studie.3 Prädiktoren für die Remission sind demnach die Diabetesdauer, der HbA1c-Wert, Insulintherapie, Gewichtsverlust nach einem Jahr und verbesserte körperliche Fitness. „Leider wurde in der LookAHEAD-Studie die Betazellfunktion nicht untersucht“, gab Prof. Laferrere zu bedenken. Dabei ist der progressive Verlust der Betazellfunktion vermutlich ein zentraler prädiktiver Faktor.
Therapie auf den Erhalt der Betazellfunktion ausrichten
„Zu einem Rückfall kommt es, wenn die Betazellfunktion schon vor der Intervention nicht mehr gut war, wenn die Betazellfunktion mit der Zeit nachlässt oder wenn es zur Dedifferenzierung von Betazellen kommt“, erklärte die Expertin. Eine Rückkehr des Typ-2-Diabetes lässt sich am ehesten verhindern, wenn die Menschen frühzeitig behandelt werden, ihren Lebensstil nachhaltig verändern und der Verlust der Betazellfunktion verhindert werden kann. Deshalb plädierte Prof. Laferre dafür, die Pharmakotherapie unmittelbar nach der Diagnose danach auszurichten, die Betazellfunktion möglichst lange zu erhalten. „Dafür müssen wir unsere Patient*innen aber auch besser phänotypisieren.“
Antje Thiel
58th EASD Annual Meeting Stockholm
Literatur:
1. Kaercher et al. Lancet Diabetes Endocrinol. 2013 Sep;1(1): 28-34; doi: 10.1016/S2213-8587(13)70006-8
2. Chikunguwo et al. Surg Obes Relat Dis 2010 May-Jun;6(3): 254-9; doi: 10.1016/j.soard.2009.11.003.
3. LookAhead Research Group. N Engl J Med 2013; 369: 145-154; doi: 10.1056/NEJMoa1212914