DDG rät zum Nutri-Score

Von A bis E

Berlin. Die DDG fordert nachdrücklich von der Bundesregierung, wie im Koalitionsvertrag angekündigt, eine neue Lebensmittelkennzeichnung für Deutschland vorzulegen. Die Diabetologen drängen darauf, das französische Nutri-Score-Modell zu übernehmen. Ministerin Klöckner geht andere Wege.

 

Der Past Präsident der DDG, Professor Dr. Dirk Müller-Wieland, bekräftigte im Vorfeld des Deutschen Diabetes Kongresses noch einmal die Notwendigkeit der Lebensmittelkennzeichnung. "Wenn es uns nicht gelingt, den Anstieg von Diabetes Typ 2 aufzuhalten, haben wir im Jahr 2040 bis zu zwölf Millionen Erkrankte in Deutschland." Bei dieser Zahl müsse eigentlich jeder Gesundheitsminister Panik bekommen.

Der Diabetes-Tsunami sei noch aufzuhalten, so der Aachener Internist, wenn es gelinge, dass sich die Menschen besser ernährten und weniger übergewichtig seien: "Aber das kann nicht die Medizin bewirken. Es erfordert Maßnahmen, die nur die Politik durchsetzen kann."

Studie zeigt beim französischen Modell Vorteile für Verbraucher
Prof. Müller-Wieland wirft der Politik "Nichthandeln" bei der Lebensmittelkennzeichnung vor. Dass die Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) mit der Begründung, der Nutri-Score sei nicht perfekt, ein eigenes System entwickeln lässt, ruft seinen Unmut hervor: "Das ist eine grobe Missachtung wissenschaftlicher Erkenntnisse."

Eine aktuelle Studie belegt die Vorteile von Nutri-Score. Erstellt hat diesen eine Forschergruppe der Universität Paris-Nord und der Curtin University Australien im Auftrag der Verbraucherorganisation Foodwatch. Die Wissenschaftler haben fünf Modelle zur Kennzeichnung von Nährwerten mittels Front-of-Pack-Kennzeichnungen verglichen.

Im Fokus standen dabei neben Nutri-Score die britische Lebensmittelampel "Multiple Traffic Lights", das in Australien und Neuseeland verwendete "Health Star Rating System", das chilenische Warnzeichen sowie die von der Industrie entwickelte und freiwillig eingesetzte GDA-Kennzeichnung (Reference Intakes/Guideline Daily Amount). Der Nutri-Score erwies sich als das effektivste Modell. Die Befragten konnten mit der A-E-Einordnung am besten erkennen, wie ausgewogen verschiedene Lebensmittel sind.

A-E-Kennzeichnung überzeugt selbst große Hersteller
Es gibt inzwischen weltweit 30 Studien, die den Vorteil der Kennzeichnung von Nährwerten wie Zucker, Fett und Salz auf der Vorderseite von Lebensmittelverpackungen belegen.
Beim Nutri-Score-System werden ernährungsphysiologisch günstige und ungünstige Nährwertbestandteile miteinander verrechnet (siehe Kasten). Es wird in Frankreich und Belgien offiziell angewandt. Spanien hat die Einführung angekündigt, in weiteren Ländern wird diese diskutiert.

Auch Hersteller ziehen mit: Danone, Bofrost, Mestemacher, McCain und Iglo haben begonnen, ihre Produkte freiwillig mit dem Nutri-Score zu versehen. Der Widerstand seitens der andersdenkenden Hersteller-Lobby ist jedoch enorm. Auf Betreiben des Schutzverband gegen Unwesen in der Wirtschaft e.V. hat das Landgericht Hamburg Iglo gestoppt. Jetzt ist das Hanseatische Oberlandesgericht am Zug.

Das Unternehmen ist aus Protest aus dem Spitzenverband der deutschen Lebensmittelwirtschaft BLL ausgetreten. Barbara Bitzer, Geschäftsführerin der DDG, begrüßt "die Entscheidung von Iglo, nicht länger einen Verband zu unterstützen, der die Zeichen der Zeit in Sachen gesunde Ernährung verschlafen hat". Der BLL habe sich als Verhinderer vieler wissenschaftlich empfohlener Maßnahmen zur Eindämmung von Übergewicht profiliert.

"Es ist höchste Zeit, dass Ministerin Klöckner sich von der unbelehrbaren deutschen Süßwaren- und Junkfood-Industrie emanzipiert und dem besten Kennzeichnungsmodell für Europas Verbraucher auch in Deutschland zum Durchbruch verhilft", betont Luise Molling von Foodwatch. Sieben europäische Verbraucherorganisationen, darunter auch der Verbraucherzentrale Bundesverband, fordern die Einführung des Nutri-Score-Modells.

Nutri Score-Studie

 

Nutri-Score-Berechnung
Beim Nutri-Score werden die Mengen verschiedener Inhaltsstoffe je 100 Gramm bzw. 100 Milliliter des Produkts ermittelt. Berücksichtigt werden dabei negative Auswirkungen auf die Gesundheit durch einen hohen Energiegehalt und einen zu großen Anteil an Zucker, gesättigten Fettsäuren und Salz (0–10 Punkte) sowie positive Wirkungen durch den Ballaststoff- und Eiweißgehalt und den Anteil an Obst, Gemüse und Nüssen (0–5 Minuspunkte).

Die Gesamtpunktzahl entspricht dann einer der Bewertungen auf der Skala von Grün/A bis Rot/E. Es gibt Sonderregelungen u.a. für Getränke, Käse, Butter und Pflanzenöle. Der Nutri-Score kann angewandt werden bei allen Produkten mit einer Nährwerttabelle und Zutatenliste.

Unverarbeitete Lebensmittel (z.B. Obst, Gemüse, Honig) eignen sich nicht dafür. In Frankreich ist die Verwendung von Nutri-Score freiwillig. Die Gesundheitsbehörde Santé publique France kontrolliert die richtige Verwendung; Produzenten können für falsche Kennzeichnungen bestraft werden.