Eine süße Zukunft
Wiesbaden. Eine Kolumne von Liesa Regner. Die Medizinstudentin kommentiert mit einem Augenzwinkern typische Probleme und Fragestellungen aus dem Studium mit einem besonderen Blick auf die Diabetologie.
"Schnell, wir brauchen einen Arzt", rufen die Rettungssanitäter, während sie die Liege mit dem Schwerverletzten in die Notaufnahme rollen. "Jetzt können nur noch Sie ihm helfen", sagt Schwester Gabi und sieht mich mit großen Augen an. Ich springe athletisch über das leere Bett vor mir und hechte zu dem Patienten. "Wir brauchen sofort einen OP", schreie ich zu niemand Bestimmten durch den Raum, "und piepsen Sie Dr. Schönundschlau an."
So oder so ähnlich stellte ich mir vor Beginn meines Medizinstudiums meinen zukünftigen Alltag als Ärztin vor, etwas unrealistisch und auch, was die Fachrichtung angeht, von gängigen TV-Krankenhausdramen geprägt. Aber damit war ich nicht die Einzige, denn es träumten sicher die meisten davon als Chirurg Herzen zu transplantieren oder als geliebter Hausarzt ganze Generationen von Familien gesund zu halten.
Patienten Lebensfreude und Lebensqualität wiedergeben
Es gibt wohl eher wenige Medizinstudierende, die sich danach sehnen in der Zukunft die Insulinspritze wie einen Zauberstab schwingend durch die Klinik zu schweben und die Patienten vom diabetischen Fußsyndrom zu heilen. Diabetes hat leider nicht den Sex-Appeal einer Herztransplantation und mit dem Satz "Hey, ich bin Diabetologe und habe heute einem Patienten den Blutzucker wieder richtig toll eingestellt" bekommt man sicher seltener eine Handynummer auf den Arm geschrieben.
Doch wenn dann der Zeitpunkt der Entscheidung für einen Facharzt gekommen ist, spielen wichtigere Dinge eine Rolle. Dann stehen Arbeitsumstände, tägliche Tätigkeiten und vor allem die persönliche Begeisterung für ein Krankheitsgebiet im Vordergrund. "Das Faszinierende an der Diabetologie ist für mich, dass man Patienten die gleiche Lebensfreude und Lebensqualität wiedergeben kann, die sie auch vor ihrer Erkrankung hatten", sagt Professor Dr. Haak von der Diabetes-Klinik Bad Mergentheim über seine Motivation zur Ausbildung als Diabetologe DDG. Zudem ist die Diabetologie in seinen Augen Teamarbeit, was ihm als Teamplayer besonders Freude bereitet.
Dass einem diese tollen Eigenschaften des Fachgebiets nicht sofort zu Beginn des Studiums klar sind, versteht auch Professor Dr. Kellerer vom Marienhospital Stuttgart. "In meiner Anfangszeit als Studentin dachte ich Diabetes sei langweilig, weil es eine bereits komplett erforschte Krankheit ist, bei der nur der Blutzucker erhöht ist", sagt sie über ihre frühere Auffassung zur Diabetesforschung.
Doch genau zu dieser führte es sie im Verlauf ihrer Karriere schließlich doch und so wurde ihr schnell klar, dass Diabetes mellitus, seine Ursachen und Auswirkungen noch lange nicht endgültig erforscht sind, sondern ein extrem spannendes und komplexes Krankheitsbild darstellen. Heute ist Prof. Kellerer Vizepräsidentin der DDG und kann sicher über ihre früheren Gedanken zur Diabetologie nur lachen.
Drei Wege führen zur Diabetologie
Ist man sich nun einmal klar geworden, dass Diabetologie mehr als nur Metformin und Mikroangiopathie bedeutet, sondern einen attraktiven Berufsweg darstellt, stellt sich die Frage: Wie werde ich denn zum Diabetologen bzw. zur Diabetologin? Wie nach Rom führen auch in die Diabetologie viele Wege. Um genau zu sein drei.
Für jene, die sich direkt nach dem Studium bereits für die Welt der Hormone entschieden haben, gibt es zunächst den Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetes. Diese Facharztausbildung muss an einer von der Landesärztekammer anerkannten Ausbildungsstätte absolviert werden und dauert sechs Jahre. Die Hälfte der Zeit wird hierbei auf die Basisausbildung im Bereich der Inneren Medizin verwendet und die restliche Zeit auf die Weiterbildung in der Endokrinologie und Diabetologie.
Die zweite Möglichkeit ist für jene, die erst nach ihrer Ausbildung zum Facharzt der Inneren Medizin, Allgemeinmedizin oder Kinder- und Jugendmedizin auf den Geschmack der Diabetologie gekommen sind. Diese können die Zusatzbezeichnung Diabetologie erwerben. Da hier der Anteil der Endokrinologie fehlt, ist die Ausbildungsdauer derzeit auf nur 18 Monate angesetzt. Der Ausbildungsinhalt variiert zudem je nach Bundesland ein wenig. Diese Zusatzweiterbildung wird nun in der neuen Musterweiterbildung für die Bundesländer vereinheitlicht.
Auch die direkte Ausbildung über die DDG ist möglich
Der dritte Weg in die Diabetologie führt direkt über die Deutsche Diabetes Gesellschaft. Diese bietet die zweijährige Weiterbildung zum/zur Diabetologe/in DDG an. Inhalte des Curriculums sind unter anderem eine 24-monatige Weiterbildung an einer DDG zertifizierten Einrichtung, ein 80-Stunden-Kurs "Klinische Diabetologie" sowie die Teilnahme an einer viertägigen Fortbildung "Kommunikation und patientenzentrierte Gesprächsführung in der Diabetologie".
Teilnahmevoraussetzung ist auch hier eine abgeschlossene Facharztausbildung in Innere Medizin, Allgemeinmedizin oder Kinder- und Jugendmedizin. Dieser Weg wurde auch von Prof. Kellerer gewählt, und das zusätzlich zu ihrer Facharztausbildung für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetes.
Bis heute steht die Endokrinologin und Diabetologin begeistert hinter ihrer Entscheidung. "Die Ausbildung zur Diabetologin DDG war und ist für mich auch heute noch die qualitativ hochwertigste Ausbildung, wenn man täglich mit Menschen zu tun hat, die von dieser Erkrankung betroffen sind."
Auch wenn es bisher noch nicht die Erstsemester sind, die in Tagträumen über die Diabetologie versinken, gibt es sicher einige erfahrenere Studierende und Assistenzärzte, die sich auf eine süße Zukunft mit viel Abwechslung, Teamarbeit und spannenden Fällen freuen.
von Liesa Regner