Lehrer auf der Schulbank
Sprendlingen. Den sicheren Umgang mit an Typ-1-Diabetes erkrankten Kindern und Jugendlichen müssen Erzieher und Lehrer lernen. Doch wie erlangen Pädagogen das benötigte Fachwissen? Ein Projekt in Rheinland-Pfalz bietet hierfür nun eine digitale Plattform.
Insgesamt sind in Deutschland 31 500 Kinder und Jugendliche an Typ-1-Diabetes erkrankt. „Wir wissen, dass sich die Zahlen in den nächsten 20 Jahren verdoppeln werden“, sagt die rheinland-pfälzische Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler. Daher startete 2015 in Rheinland-Pfalz ein Pilotprojekt, in dem Pädagogen im Umgang mit Typ-1-Diabetes geschult werden.
Da die Präsenzfortbildungen auf eine große Nachfrage stießen, war das Angebot von Webinaren der nächste sinnvolle Schritt. „Alle Welt spricht von Digitalisierung – dann nutzen wir die doch“, so die Ministerin.
Schwierig sind vor allem Ausflüge und Klassenfahrten
Daniel Porr ist Lehrer an der IGS Gerhard Ertl in Sprendlingen bei Mainz und hat das Online-Seminar mit weiteren Kollegen seiner Schule abgeschlossen. In fast jeder Schulstufe finden sich Jugendliche mit Diabetes. In diesem Alter sind sie nach seiner Erfahrung schon sicher genug, um im Alltag sehr gut selbst mit der Erkrankung umzugehen. Im Schulalltag könne man im Notfall auch besser handeln. Schwierig seien vor allem Situationen, die auch die Kinder nicht gewohnt sind.
„Wie reagiere ich unterwegs bei Ausflügen oder Klassenfahrten?“, fragt Porr. Vor allem hier sollten Pädagogen wissen, worauf sie achten und wie sie im Notfall handeln müssen. Dass im Fall einer Hypoglykämie die Gabe von Zucker notwendig ist, muss Pädagogen laut Porr erst beigebracht werden. Viele würden stattdessen denken, dass Zucker immer zu vermeiden ist. Die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Dr. Stefanie Hubig bekräftigt die Priorität, Lehrer in diesem Bereich fit zu machen.
Diabetologische Experten sind eingebunden
Das Webinar ist an den Bildungsserver des Landes angeschlossen, sodass Lehrer jederzeit kostenlos darauf zugreifen können – auch von unterwegs. In acht Videos wird Basiswissen zum Diabetes präsentiert, von Grundlagen hin zu Insulinpumpen und Sensoren. Pro Video folgt ein kurzer Test, der die wichtigsten Punkte zusammenfasst. Eine Dozentin in den Videos ist die Landauer Diabetologin Dr. Dorothea Reichert, Vizevorsitzende des Bundesverbands niedergelassener Diabetologen.
Zu festen Terminen findet eine Online-Zuschaltung von Experten statt, in der Probleme direkt gelöst werden können. Zudem besteht die Möglichkeit, außerhalb der Zuschaltungen Fragen zu stellen, die von diabetologischen Experten und Kollegen zeitnah beantwortet werden.
Bereits über 170 Anmeldungen für das Webinar
An der Fortbildungskonzeption war der Qualitätszirkel für Kinderdiabetologie und Erwachsenendiabetologie mit Zulassung zur Behandlung von Kindern beteiligt, der auch Referenten zur Verfügung stellt. Initiiert und koordiniert wurde das Projekt von Marlies Neese, Vorsitzende des rheinland-pfälzischen Vereins „Hilfe für Kinder und Jugendliche bei Diabetes mellitus e.V.“. Sie erhielt finanzielle Unterstützung vom Landessozialministerium, der AOK und dem Diabetes-Kinderhilfeverein. Für Neese ist es wichtig, dass das Angebot nicht bei den Lehrern endet. Auch anderem Personal wie Köchen oder Hausmeistern sollte die Möglichkeit gegeben werden, sich über Diabetes zu informieren.
Die Arbeit hat sich gelohnt: Seit dem Start im Mai meldeten sich 170 Personen beim Webinar an. Andere Bundesländer und selbst EU-Länder haben bereits Interesse bekundet, dem Projekt beizutreten.
Dennoch mahnt Neese, sich nicht allzu sehr auszuruhen. „Die Medizin überholt sich etwa alle zwei Jahre“, folglich müsse auch das Online-Seminar regelmäßig überarbeitet und an Fortschritte anpasst werden.
Saskia Göthel
Pressekonferenz des Sozialministeriums RLP