MDK-Kodierempfehlung gilt nicht
Bad Mergentheim. Die Diabetes-Klinik Bad Mergentheim hat vor dem Sozialgericht Heilbronn ein Urteil erfochten, das bestätigt, dass die Steatosis hepatis als Manifestation/ Komplikation des Diabetes mellitus und mit der Nebendiagnose K77.8* zu kodieren ist. Das hat Bedeutung für die DRG-Abrechnung und weitere Kodierstreitigkeiten mit dem MDK.
Streitig war die 2012 zur Abrechnung der Fallpauschale K60B angegebene Nebendiagnose K77.8* (Leberkrankheiten bei sonstigen anderenorts klassifizierten Krankheiten). Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) meinte, diese Nebendiagnose sei zu streichen. Seinen SEG-4-Richtlinien entsprechend sei die K76.0 (Fettleber, anderenorts nicht klassifiziert) anzusetzen, da die Verfettung der Leber nicht komplikativ auf den Diabetes zurückzuführen, sondern multifaktorieller Genese sei.
Die Kriterien sind erfüllt
Dem widerspricht das Sozialgericht. Der eingeschaltete Gutachter hatte dargelegt, dass die Kriterien der K77.8* (die Steatosis hepatis ist zusätzlich noch an der 4. Stelle der Hauptdiagnose Diabetes als Manifestation/Komplikation zu kodieren) erfüllt sind: Die Fettleber der Patientin war kein abnormer Befund, „sondern eine potenziell folgenreiche Erkrankung des bei ihr festgestellten langjährigen Diabetes mellitus“. Die Komplikation habe das Management der Patienten beeinflusst.
Right-Coding führt zu einem Mehrerlös von rund 1000 Euro
Wolfgang Trosbach vom Medizincontrolling der Diabetes-Klinik Bad Mergentheim ordnet das Urteil so ein: Wenn bei der Hauptdiagnose Diabetes mellitus neben einer Manifestation/Komplikation wie Hypoglykämien zusätzlich eine Steatosis hepatis vorliegt, ermöglicht das die Abrechnung der DRG K60E statt der erlösärmeren K60F (wenn außerdem die 5. Stelle = entgleist kodiert ist). „Dieses Right-Coding führt 2019 zu einem Mehrerlös von etwa 1000 Euro. Fallpauschalenerlöse, die Krankenkassen und MDK systematisch den stationären Diabetes-Behandlern zu Unrecht vorenthalten haben, wurden gerichtlich als korrekt kodiert bestätigt.“
Das Urteil belegt, so Trosbach, dass nach dem Wortlaut der Kodiervorgaben zu verschlüsseln ist (hier insbesondere ICD-10 Bd. 2, der die K77.8* expressis verbis als Nebendiagnose-Kode benennt). MDK und Kassen dürften nicht willkürliche Interpretationen hinzufügen (hier: SEG-4-KDE 408). So hatte der MDK auch darauf beharrt, dass die Steatosis hepatis monokausale Folge des Diabetes mellitus sein müsse, um als Komplikation/Manifestation kodiert werden zu können, was vom Gericht als falsch zurückgewiesen wurde.
Von Bedeutung für weitere Kodierstreitigkeiten
„Dieser Teil des Urteils ist von Bedeutung für weitere Kodierstreitigkeiten, bei denen der MDK immer wieder behauptet, dass bestimmte weitere Komplikationen/Manifestationen des Diabetes mellitus nur dann kodiert werden dürften, wenn eine (mono-)kausale Verursachung belegt sei, so etwa bei der erektilen Dysfunktion, bei Polyneuropathien oder Nierenerkrankungen“, erläutert Trosbach. Dieser nicht begründbare Bezug auf „(mono-)kausale Verursachung“ sei vom Gericht eindrucksvoll widerlegt worden.
Nun sei zu fordern, „dass der MDK seine seit 2011 inkorrekte SEG-4-Stellungnahme zur Kodierung der Steatosis hepatis unverzüglich korrigiert“. Darüber habe seit Anbeginn Dissens mit dem Verband der Medizin-Controller bestanden. Dennoch sei diese Kodierempfehlung wortwörtlich von den MDK-Gutachtern konstant zur Ablehnung der K77.8*-Kodierung verwendet worden.
Michael Reischmann
Sozialgericht Heilbronn, Urteil vom 30.7.2019, Az.: S 11 KR 3983/16 (Revision zugelassen)