Nutzen Sie den Mutterpass!
Neuss. Seit Jahren gibt es Kontroversen über die Quote des Gestationsdiabetes (GDM) in Deutschland. Damit die Zahlen für Wissenschaft und Versorgung stimmen, sollten die Diabetologen die Dokumentation im Mutterpass konsequent ausfüllen.
Das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) erfasst im Rahmen der Qualitätssicherung Geburtshilfe (QS GH) den GDM. Für 2017 ermittelte es eine Quote von 5,9 %. Diese ist im internationalen Vergleich auffällig niedrig, da die Morbidität des Typ2-Diabetes und der Adipositas in Deutschland relativ hoch ist.
Zu niedrige Zahlen wegen unvollständigen Daten
Unter anderen methodischen Limitierungen ergaben sich Quoten von 13 % bzw. 6,8 %. Nach nicht publizierten Daten der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein von 2018 sind alleine in diabetologischen Schwerpunktpraxen GDM-Behandlungen durchgeführt worden, die 11 bis 12 % der Entbindungen entsprechen. Die Zahlen der QS GH sind vermutlich zu niedrig, weil die Mutterpässe für die Fragestellung nicht vollständig sind.
Die GDM-Daten werden in den Entbindungsabteilungen auf Erfassungsblättern durch Übertragen aus den Mutterpässen gesammelt. Die Datenqualität hängt also davon ab, wie gut die Seite 6 des Mutterpasses ("Besondere Befunde im Schwangerschaftsverlauf") ausgefüllt wird. Die Anschauung zeigt: In vielen Mutterpässen fehlen diese Angaben.
Schon wenige Versäumnisse können die Zahlen maßgeblich verändern
Die hiesige GDM-Prävalenz reichte im Jahr 2016 von 4,1 (Mecklenburg-Vorpommern) bis 6,77 % (Nordrhein-Westfalen) sowie 2017 – soweit bekannt – von 4,7 (Hamburg) bis 7,42 % (NRW). Darin spiegelt sich aber eher das Dokumentationsverhalten wider als eine unterschiedliche Morbidität. Schon die Dokumentationen weniger großer diabetologischer Praxen sowie die Vertragsverhältnisse zum GDM können die Zahlen maßgeblich verändern.
Zu Beginn der ersten Schwangerschaft bekommen Frauen einen Mutterpass ausgehändigt. Dieser enthält Formulare für zwei Schwangerschaften. Die aktuelle Version ist von 2015, es gibt aber noch viele alte Mutterpässe, bei denen das Screening auf GDM nicht vorgegeben ist. Es ist bemerkenswert, dass fast 100 % der Frauen in der Sprechstunde ihren Mutterpass bei sich tragen. Dies zeigt mal wieder, was Motivation bewirken kann.
Verbessern Sie die Dokumentation!
Die Richtigkeit der Daten der QS GH ist maßgeblich von uns Diabetologen und Diabetologinnen abhängig. Darum:
Setzen Sie Ihren Praxisstempel auf Seite 1 des Mutterpasses, damit Sie Arztbriefe bekommen.
Bitte füllen Sie die Angaben auf Seite 6 zum GDM immer aus – auch bei negativer Testung.
Geben Sie bei Schwangerschaften mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes den Befund Nr. 9 auf Seite 5 des Mutterpasses an.
Sollten unsere Annahmen stimmen und Sie unserem Rat folgen, werden die GDM-Zahlen in der QS GH weiter zulegen – nicht wegen steigender Morbidität, sondern wegen Ihrer verbesserten Dokumentation.
winDiab hat beim IQTIG eine sekundäre Auswertung der QS GH beantragt. Bislang werden die GDM-Fälle nicht mit anderen Daten korreliert. Führt GDM zu mehr Komplikationen oder wird anders behandelt? Mit dieser fast alle Entbindungen erfassenden Datenbank können solche Fragen sehr gut beantwortet werden. Schön, wenn die Datenbasis auch stimmt.
Dr. Matthias Kaltheuner, winDiab