Vereinheitlichte Regeln

DDG richtet Kommission zur Kodierung und Krankenhausvergütung ein

Wiesbaden. Um die „Kodierung und DRGs in der Diabetologie“ kümmert sich die gleichnamige, im März gegründete Kommission der DDG. Deren Leitung teilen sich Dipl.-Psych. Wolfgang Trosbach, Bad Mergentheim, und Privatdozent Dr. Erhard Siegel, Heidelberg. Beide berichten über die anstehenden Aufgaben. 

shutterstock_megaflop

Womit wird sich Ihre Kommission genau beschäftigen?

Dr. Siegel: Die Kommission wird zentral für die deutsche stationäre Diabetologie über die DDG alle Fragen zur Kodierung bei Diabetes mellitus und zur DRG-Abrechnung bündeln, vereinheitlichen und wo notwendig mit anderen Fachgesellschaften und Verbänden abstimmen. So soll die Fülle an Kodierstreitigkeiten zwischen Krankenhäusern und Medizinischem Dienst (MD) bzw. Krankenkassen gelöst oder zumindest reduziert werden. Wir wollen zudem seit Jahren offene Rechtsfragen bei den Diabetes-DMP klären und werden uns für eine adäquate Vergütung der stationären diabetologischen Behandlung einsetzen

Was war Anlass für die Gründung? Was möchten Sie erreichen?

Trosbach: Zentraler Anlass ist die Notwendigkeit, bei den missverständlichen, komplizierten und strittigen Kodierfragen zu bundesweit einheitlichen Vorgaben zu kommen. Die Fachgesellschaft kann keine Verbandsklage führen. Jedes Krankenhaus muss selbst strittige Fälle vors Sozialgericht bringen. Das macht eine bundesweite Abstimmung schwierig. Hinzu kommt, dass die MDs und speziell die in Landesverbände aufgeteilten Kostenträger unterschiedlich agieren. Selbst innerhalb eines Bundeslandes werden zwischen Kostenträgern und Krankenhäusern divergierende Kodierungen zugelassen.

Zudem sieht die neue Gesetzgebung vor, die seit Jahren untätigen Schiedsstellen zu reaktivieren. Die Kommission will sich bei Schiedsstellenklärungen mit ihrem Sachverstand intensiv einbringen.

Ein weiterer Anlass für die Gründung war, dass bundesweit diabetologische Schwerpunktkrankenhäuser und -stationen abgebaut sowie Behandlungsplätze insbesondere für die Hauptdiagnose Diabetes mellitus reduziert werden. Begründet wird dies mit einer Kostenunterdeckung der Diabetesbehandlung als „sprechender Medizin“ – diese werde mit den Fallpauschalen nicht angemessen vergütet. Dazu kommen massive Prüfungen durch Kostenträger und MD auf primäre Fehlbelegung: Viele stationäre Diabetesbehandlungen werden als unberechtigt oder nicht erforderlich angesehen, diese hätten ambulant stattzufinden.

Deshalb brauchen die Häuser klare und vereinheitlichte Regeln. Und es müssen mit Kalkulationsdaten gut begründete Anträge beim InEK gestellt werden, um zu prüfen, wo Fallpauschalen nicht kostendeckend sind und wo Kostentrenner sowie DRG-Splits zu erstellen sind.

Ähnlich ist es bei den DMP. Auch hier bedarf es Klärung. In den DMP-Verträgen ist festgelegt, wann eine stationäre Behandlung erforderlich ist. Wenn ein Einweiser nach diesen Kriterien einen Patienten stationär einweist – etwa weil der vorgegebene HbA1c-Zielwert ambulant nicht erreicht werden kann –, wird eben dieser Patient von Kasse und MD häufig als „primäre Fehlbelegung“ herausgeprüft. Das Krankenhaus bleibt auf den kompletten Kosten sitzen oder muss prozessieren.

Betreten Sie hier thematisches Neuland in der DDG?Dr. Siegel: Die DDG befasst sich schon seit Jahren mit der Thematik, aber primär über eine kleinere DRG-Expertengruppe, die insbesondere Änderungsanträge ans InEK zur Abrechnung sowie zu ICD- und OPS-Kodes gestellt hat. Teilweise wurden auch schon Daten von InEK-Kalkulationshäusern eigens geclu

stert und ausgewertet, um Vergleichsdaten zum Gesamtdatensatz des InEK zu haben.

Wer macht in der Kommission mit? Mit wem kooperieren Sie?

Dr. Siegel: In der Kommission sind aktuell neben mir Professor Dr. Ralf Lobmann aus Stuttgart, Dr. Bernhard Lippmann-Grob aus Bad Mergentheim und Dipl.-Psych. Trosbach. Bei Fragen, die auch andere Fachgesellschaften, etwa die DGIM, betreffen, werden Stellungnahmen abgestimmt. Ebenfalls findet eine Abstimmung mit dem Bundesverband Klinischer Diabeteseinrichtungen statt. Die Zusammenarbeit mit dem Fachausschuss für ordnungsgemäße Kodierung und Abrechnung der Deutschen Gesellschaft für Medizincontrolling soll fest installiert werden.

Interview: Michael Reischmann

 

Nebendiagnose Diabetes 

Die Rate des Diabetes bei Krankenhausaufnahmen liegt wahrscheinlich deutlich über der Diabetesprävalenz in der Allgemeinbevölkerung. Dabei wird Diabetes wegen der Fokussierung des DRG-Systems auf Prozeduren oft als Begleiterkrankung (Nebendiagose) kodiert, berichtet Marie Auzanneau MPH, Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Gruppe von Professor Dr. ­Reinhard Holl am ZIBMT, Institut für Epidemiologie und medizinische Biometrie der Universität Ulm. Sie hat die DRG-Statistik (GKV und PKV) des Statistischen Bundesamtes ausgewertet. Betrachtet wurden die ICD-10-kodierten Diagnosen von Patienten ab 20 Jahren zwischen 2015 und 2017. Haupt- und Nebendiagnosen Typ-1-, Typ-2-, Gestations-, pankreopriver Diabetes (ICD-E13), seltene Diabetesformen (ICD-E12 oder E14) sowie Prädiabetes wurden analysiert. Die Ergebnisse sind noch nicht publiziert.

Auffällig war ein deutlicher Anstieg der Nebendiagnose „pankreopriver Diabetes“. Bei 20- bis 40-jährigen Frauen verdoppelten sich zwischen 2015 und 2017 die Fälle. Betroffen waren vorwiegend stationäre Behandlungen von Patientinnen mit Hauptdiagnose der ICD-Gruppe „O“ (Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett), jedoch ohne Diagnose Gestationsdiabetes (O24). Beim Gestationsdiabetes wurde dagegen in den drei Jahren kein Anstieg der stationären Fälle beobachtet. Dieses Phänomen löst Fragen nach der korrekten Kodierung aus – speziell bei Patientinnen im gebärfähigen Alter, da in der ICD-10-Systematik die Dokumentation des Gestationsdiabetes nicht gerade selbsterklärend ist und von der medizinischen Einteilung in Leitlinien abweicht.