Wege aus dem Toxic Food Environment
Dresden. Die Verhältnisprävention und die Präventionsforschung vorantreiben. Das sind zwei zentrale Forderungen im Positionspapier der AG Prävention der DDG. Bei seinen Bemühungen, ungesunde Ernährung, Adipositas und Diabetes zu vermeiden, liege Deutschland international bestenfalls im Mittelfeld, sagt AG-Sprecher Professor Dr. Peter Schwarz.
Im Auftrag des Vorstands der DDG haben Mitglieder der 2004 gegründeten Arbeitsgemeinschaft Eckpunkte zur Diabetesprävention in Deutschland aufgeschrieben. Das Papier basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, wie sie zuvor für die europäische Fachgesellschaft zusammengetragen worden waren. Diese wurden mit den politischen Forderungen der DDG kombiniert, erklärt AG-Sprecher Prof. Schwarz.
Deutschland tue sich bei der Prävention schwer, berichtet der Arzt vom Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der TU Dresden. So habe es z.B. 19 Jahre gedauert, bis das jetzt erste digitale Präventionsprogramm vorliege, das von allen Krankenkassen bezahlt werde (das Videocoaching „Videa bewegt“). In England gebe es längst drei Präventiv-Apps mit Hunderttausenden Nutzern.
Was man als Kind isst, wird einem lebenslang schmecken
Prof. Schwarz steht hinter der Forderung der DDG nach einer höheren Besteuerung ungesunder Nahrungsmittel und steuerlichen Entlastung gesunder Produkte. Alternativ könnte auch eine Haftung der Nahrungsmittelindustrie für unerwünschte Nebenwirkungen erwogen werden. Die Industrie habe Studien zu den Folgen ihrer Produkte. Wenn Sie damit rechnen müsste, für Schäden haftbar gemacht zu werden, würde sie dieses Risiko einpreisen. Das könnte die Nachfrage dämpfen.
Prof. Schwarz betont auch die Forderung der DDG, Werbung für ungesunde Nahrungsmittel, die sich an Kinder wendet, zu verbieten. „Wir leben in einem Toxic Food Environment. Wer sich durchschnittlich ernährt, wird jeden Tag etwas kränker.“ Mit Essen und Trinken würden intuitive Bedürfnisse gestillt, die einer frühen Prägung unterliegen. „Was man zwischen dem dritten und sechsten Lebensjahr isst, wird einem lebenslang schmecken.“
Die DDG setzt sich politisch für eine leicht verständliche Nährwertkennzeichnung ein, um das Verbraucherverhalten zu verändern. Eine Lebensmittelampel, die Konsumsignale gibt (grün = täglich, gelb = einmal die Woche, rot = einmal im Monat), hält Prof. Schwarz für sinnvoll. Sie würde sich durch finanzielle Anreize noch verstärken lassen, sagt er. So könnte eine gesunde Lebensweise mit virtuellen Punkten belohnt werden, die sich dann für gesunde Produkte eintauschen lassen.
Maßnahmen für bestimmte Gruppen
Das Positionspapier listet zudem Maßnahmen für ausgewählte Bevölkerungsgruppen wie Schwangere, Erwerbstätige, Rentner und Menschen mit Migrationshintergrund auf. Dazu gehören auch Kampagnen, Fortbildungen und Infrastruktur für körperliche Aktivitäten. Damit verbunden ist auch ein Bedarf an weiteren Studien zur Wirksamkeit bestimmter Maßnahmen.
Mit dem Papier, so hofft Prof. Schwarz, der die AG seit eineinhalb Jahren erneut leitet, komme man auch wieder mehr in Kontakt mit anderen Gremien der DDG, die Berührungspunkte haben.
Michael Reischmann