Pressemitteilung

Wenn die Nebenniere den Stoffwechsel stört

17.07.2024

Berlin/Altdorf – Als Organ ist sie klein und unscheinbar, als Hormonproduzent zählt die Nebenniere jedoch zu den wichtigsten des menschlichen Körpers. Eine Über- oder Unterfunktion kann gravierende gesundheitliche Folgen haben – für den Zucker- und Fettstoffwechsel ebenso wie für das Herz-Kreislauf-System. Auch Volkskrankheiten wie ein Bluthochdruck oder ein Typ-2-Diabetes können durch Nebennierenfunktionsstörungen mit verursacht werden. Dieser Zusammenhang wurde lange Zeit unterschätzt, so die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE). Auf der heutigen gemeinsamen Pressekonferenz mit der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) informierten Expertinnen und Experten zu Nebennierenfunktionsstörungen und ihren Folgen.

In den Nebennieren werden gleich mehrere Hormone produziert, die der Körper in Zeiten großer Belastung freisetzt: Die Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin aus dem Nebennierenmark zählen dazu, aber auch das in der Nebennierenrinde hergestellte Stresshormon Cortisol. „Diese Hormone sorgen unter anderem dafür, dass Zucker aus den Reserven mobilisiert wird und der Blutdruck steigt“, erläutert PD Dr. med. Dr. jur. Birgit Harbeck, Mediensprecherin der DGE. Cortisol hat darüber hinaus auch entzündungshemmende Eigenschaften und beeinflusst den Fettstoffwechsel. Ein weiteres wichtiges Hormon der Nebennierenrinde ist das blutdrucksteigernde Aldosteron. Auch Vorstufen von Geschlechtshormonen werden in der Nebennierenrinde gebildet.

Bereits diese unvollständige Aufzählung lässt erahnen, welch weitreichende Folgen eine Störung der Nebennierenaktivität haben kann. „Sowohl eine Unter-, als auch eine Überproduktion dieser Hormone kann die Gesundheit erheblich beeinträchtigen“, so Harbeck. Eine Überfunktion sei dabei deutlich häufiger als eine Unterfunktion. Ausgelöst wird sie unter anderem durch gutartige Geschwulste, sogenannte Nebennierenadenome, deren Häufigkeit mit steigendem Alter zunimmt und die sich bei bis zu 7 Prozent der Bevölkerung finden.

Adenomwachstum und Glukosestoffwechsel
Nicht immer sind diese Adenome auch hormonaktiv, produzieren also wesentliche Mengen an Nebennierenhormonen. Wenn sie dies aber tun, ist die Gesundheitsgefahr groß. So führen die seltenen Cortisol-sezernierenden Geschwulste zu einem schwerwiegenden, als adrenales Cushing Syndrom bezeichneten Krankheitsbild. „Hiervon betroffene Patientinnen und Patienten entwickeln in der Regel eine stammbetonte Adipositas, haben also ein rundes Gesicht und einen stämmigen Körper bei recht schlanken Armen und Beinen“, sagt Harbeck. Typisch für das adrenale Cushing Syndrom sind auch eine gestörte Glukosetoleranz bis hin zum manifesten Diabetes mellitus Typ 2, sowie ein Bluthochdruck. Bei einem deutlich größeren Anteil der Adenome – Schätzungen reichen von 20 bis 50 Prozent – zeigt sich in Tests zwar eine leicht erhöhte Cortisol-Produktion, die jedoch mit keinen klinischen Symptomen verbunden ist. Die mit 40 bis 70 Prozent größte Gruppe schließlich sind die hormoninaktiven Adenome, die lange Zeit als gesundheitlich unbedenklich galten. „Seit einigen Jahren weiß man aber, dass auch sie den Glukosestoffwechsel stören“, so DGE-Expertin Harbeck. Dabei nehme die Insulinresistenz – eine Vorstufe des Typ-2-Diabetes – mit dem Adenomwachstum zu.  

Risiko für Bluthochdruck, Herzinfarkte und Schlaganfälle
Nicht nur Cortisol, auch die anderen Nebennierenhormone können beim Vorliegen von Adenomen verstärkt hergestellt werden. Bei einem Phäochromozytom etwa ist die Produktion der Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin gesteigert. Dies hat Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen und eine Erhöhung des Blutzuckerspiegels zur Folge. Aldosteron-produzierende Adenome hingegen führen neben einem ausgeprägten Bluthochdruck, der mit den üblichen Blutdrucksenkern nicht zu behandeln ist, auch zu Störungen des Glukose- und des Fettstoffwechsels. „Bis zu 13 Prozent aller Bluthochdruckerkrankungen gehen auf eine übersteigerte Produktion des Hormons Aldosteron zurück“, so Harbeck. Gegenüber anderen Bluthochdruckpatienten wiesen die Betroffenen ein zusätzlich deutlich erhöhtes Risiko für Herzinfarkte oder Schlaganfälle auf – vermutlich verursacht durch die mit einhergehenden Stoffwechselstörungen.

Nebenniereninsuffizienz – selten, aber schwerer zu behandeln
Vergleichsweise selten ist eine Unterfunktion der Nebenniere, eine sogenannte Nebenniereninsuffizienz. „Sie entsteht meist infolge von Autoimmunprozessen und kann zu einem lebensbedrohlichen Mangel an Cortisol und Aldosteron führen“, sagt Harbeck. Während die Therapie der hormonaktiven Adenome meist in einer operativen Entfernung der Geschwulst besteht, ist die Nebenniereninsuffizienz deutlich schwerer zu behandeln. Denn die tageszeitlichen Schwankungen der natürlichen Cortisolproduktion lassen sich medikamentös nur schwer nachzeichnen, sodass es häufig zu Phasen der Über- oder der Unterversorgung kommt, die beide mit Nebenwirkungen verbunden sind.

Neue Präparate geben Hoffnung
Neuere Präparate mit verzögerter Wirkstofffreisetzung könnten die Therapie hier deutlich verbessern, sagt Harbeck. Gerade im Hinblick auf diabetes-relevante Aspekte wie das Gewicht und die Insulinsensitivität seien hier bereits Erfolge erzielt worden.

Bei Prädiabetes die Nebennierenhormone mit untersuchen
„Generell gilt es jedoch, auch in der Diagnostik den Blick zu weiten und die Verbindungslinie zwischen Endokrinologie und Diabetologie nicht nur bei der Bauchspeicheldrüse zu suchen“, sagt Professor Dr. med. Baptist Gallwitz, Mediensprecher der DDG. Gerade bei einem neu diagnostizierten Prädiabetes sollte immer auch an eine Nebennierenfunktionsstörung gedacht werden.

Die Pressemappe zur Pressekonferenz finden Sie unter https://www.ddg.info/pressekonferenzen/gemeinsame-online-pressekonferenz-der-deutschen-diabetes-gesellschaft-und-der-deutschen-gesellschaft-fuer-endokrinologie

Den Mitschnitt der Pressekonferenz finden Sie unter https://attendee.gotowebinar.com/recording/5729908476202216109

Interessenkonflikte:

PD Dr. med. Dr. jur. Birgit Harbeck gibt an, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.
Professor Dr. med. Baptist Gallwitz gibt an, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.