Pflegenotstand gefährdet auch Diabetesversorgung
Nicht erst seit der Corona-Pandemie ist klar: Deutschland hat ein hausgemachtes Pflegeproblem. Der Fachkräftmangel in Altenarbeit und Pflege verschärft sich ambulant und stationär seit Jahren kontinuierlich. Eine Pflegereform, die das Berufsbild der Pflegenden attraktiver gemacht hätte – bislang Fehlanzeige. Der Deutsche Pflegerat schätzt, dass 2023 bis zu 500.000 Pflegekräfte fehlen werden, während die Zahl der pflege- und hilfsbedürftigen Menschen weiter steigen wird. In Bezug auf Diabetes mangelt es zudem an diabetologischer Nachqualifikation durch Fort- und Weiterbildung. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG), die gemeinnützige Gesundheitsorganisation diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe und der Selbsthilfeverband Deutsche Diabetes-Hilfe – Menschen mit Diabetes (DDH-M), Landesverband Nordrhein-Westfalen, fordern gemeinsam ein radikales Umdenken der Politik unter dem Hashtag #WeiterbildungWeilPflegendeEsWertSind!
Diabetes mellitus ist eine Volkskrankheit mit Betroffenen in allen Altersklassen. Wobei die Zahl der Seniorinnen und Senioren mit Diabetes deutlich steigt: Gegenwärtig ist jeder zweite Mensch mit Diabetes mellitus Typ 2 über 65 Jahre alt, entsprechend hoch ist auch die Zahl Pflegebedürftiger mit der Stoffwechselerkrankung. Menschen mit Diabetes Typ 1 und Typ 2 stehen bei Aufenthalten in Kliniken und Pflegeeinrichtungen jedoch häufig vor dem Problem, dass Pflegekräfte unzureichend im Umgang mit der Stoffwechselerkrankung geschult sind. Davon berichtet auch Susanne Thiemann, die mit Diabetes Typ 1 lebt: „Ich habe bei verschiedenen Krankenhausaufenthalten die Erfahrung gemacht, dass das Pflegepersonal die Unterschiede der Diabetes-Typen nicht kennt, kein Fachwissen zu moderner Insulintherapie hat und auch keine Unterstützung einer stationsübergreifenden Diabetesberatungsfachkraft vorhanden ist.“
Norbert Kuster, Vorsitzender des Landesverbandes NRW der DDH-M, erklärt: „Im Jahr 2021 haben wir eine Projektgruppe zu Versorgungsdefiziten in der Pflege gegründet, 2022 ein Positionspapier veröffentlicht und unsere Forderungen an den Gesundheitsminister von NRW, Karl-Josef Laumann und den Gesundheitsausschuss herangetragen.“ Zu den Forderungen zählt unter anderem eine diabetologische Nachqualifikation professionell Pflegender durch Fort- und Weiterbildung und die Schaffung von Anreizsystemen für eine Teilnahme an diesen Qualifikationen. Umgesetzt wurden die Forderungen noch nicht – ein Hindernis liege in unterschiedlichen Zuständigkeiten, erläutert diabetesDE-Geschäftsführerin Nicole Mattig-Fabian: „Pflege ist in der Regel Ländersache. Finanzierungsentscheidungen werden jedoch auf Bundesebene gefällt. Es scheint der politische Wille in letzter Konsequenz zu fehlen, anders ist das Zaudern nicht zu erklären.“
Seit 2015 bietet die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) ein Basis-Fortbildungsprogramm (Basisqualifizierung Diabetes Pflege DDG) für Pflegekräfte sowie weiterführende Weiterbildungen zur Diabetes-Pflegefachkraft DDG für die ambulante Langzeitpflege beziehungsweise für die Klinik an. „Leider werden aktuell aufgrund des Pflegefachkraftmangels immer weniger Pflegefachkräfte für Fortbildungen freigestellt“, bedauert Privatdozentin Dr. med. Anke Bahrmann, erste Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft „Geriatrie und Pflege“ der DDG. Ein grundlegendes Interesse daran sei jedoch vorhanden, bekräftigt auch Susanne Thiemann: „Mir ist wiederholt aufgefallen, dass das Pflegepersonal sehr interessiert an meiner Insulintherapie mit Insulinpumpe und Glukosesensor war, Dinge nachgefragt hat und man sich hier Fortbildung auf den neuesten Stand wünscht.“ Die Verbände sind sich einig: Die gesundheitspolitisch Verantwortlichen in Bund und Ländern müssen rasch handeln. Gerade im Zuge der Umsetzung der Krankenhausreform müsse die kompetente Diabetesversorgung auf allen Versorgungsebenen im Krankenhaus (Level I-III) sichergestellt werden. Ansonsten sei eine medizinisch vertretbare Versorgung der wachsenden Zahl an Diabetes-Betroffenen unter den Pflegebedürftigen kaum mehr zu gewährleisten.
Der Internationale Tag der Pflege wird jährlich am 12. Mai begangen. Der Tag erinnert an den Geburtstag der britischen Krankenpflegerin und Pionierin der modernen Krankenpflege, Florence Nightingale.
Quellen:
gesundheitsbericht_2023_final.pdf (diabetesde.org)
Positionspapier Diabetes und Pflege.pdf (menschen-mit-diabetes.de)