Her mit dem Gemüse!
LEIPZIG. Die Evidenz für die Vorteile einer vegetarischen, pflanzenbasierten oder mediterranen Ernährungsweise hat zu deren Empfehlung in den aktuellen EASD- und ADA-Diabetesleitlinien geführt. Woher stammt diese Evidenz?
An der Spitze der Evidenz-Pyramide stehen Umbrella-Reviews, erläuterte PD Dr. Sabrina Schlesinger vom DZD-Partner Deutsches Diabetes Zentrum, Düsseldorf. „In Umbrella-Reviews fassen wir quasi systematisch systematische Reviews zusammen.“ Die Evidenz zu pflanzenbasierter Ernährung und Diabetesprävention stammt aus Metaanalysen von Beobachtungsstudien und RCT.
Dr. Schlesinger präsentierte mehrere Umbrella-Reviews mit prospektiven Beobachtungsstudien, die eine klare Assoziation einer vegetarischen bzw. überwiegend pflanzenbasierten Ernährung mit einem verminderten Risiko für die Entstehung von Typ-2-Diabetes (T2D) zeigen. Auch eine Substitution von tierischen Lebensmitteln wie rotem und verarbeitetem Fleisch, Geflügel und Eiern durch pflanzliche Lebensmittel wie Vollkornprodukte und Nüsse kann das T2D-Risiko reduzieren.
Profitieren alle Personen mit Typ-2-Diabetes gleichermaßen?
Entsprechende Assoziationen sind auch auf der Nährstoffebene bezüglich ihres tierischen und pflanzlichen Ursprungs belegt. RCT-evident ist eine Reduktion des Körpergewichts und von BMI und Bauchumfang bei vegetarischer/veganer Ernährung versus Mischkost in der Allgemeinbevölkerung sowie bei Übergewicht/Adipositas belegt. Eine Reduktion von Nüchternglukose und HbA1c sowie von Gesamtcholesterin- und LDL ist belegt, aber kein Einfluss auf die Insulinsensitivität. „Die Evidenz aus Beobachtungsstudien und RCT deutet darauf hin, dass sich eine pflanzenbasierte Ernährungsweise positiv auf die Prävention von T2D auswirkt“, folgerte Dr. Schlesinger. Die Nahrung müsse jedoch nicht zwingend strikt vegetarisch oder gar vegan sein.
„Es gibt keine eindeutige Überlegenheit für alle Personen mit Diabetes, aber gute Evidenz dafür, dass pflanzenbasierte Ernährungsmuster sich positiv auf die kardiometabolische Gesundheit bei Typ-2-Diabetes auswirken“, referierte Dr. Katharina Weber, Institut für Epidemiologie, Kiel. Limitierend wirke sich dabei aus, dass es bislang keine einheitliche Definition für eine pflanzenbasierte Ernährungsweise gebe. Für mikrovaskuläre Komplikationen reiche die Evidenz für klare Aussagen bezüglich Nephropathie und Neuropathie noch nicht aus. Für das Risiko für diabetische Retinopathie sei eine inverse Assoziation zwischen einzelnen pflanzlichen Lebensmitteln bzw. daraus gewonnen Inhaltsstoffen gegeben.
In einer Querschnittsanalyse mit Bezug auf die Diabetes-Endotypklassifizierung untersuchte Dr. Weber mit ihrem Team die Adhärenz von Menschen mit und ohne T2D zu Ernährungsmustern. Insgesamt zeigten sich nur geringe Unterschiede zwischen den fünf Diabetes-Endotypen bei der Adhärenz zu pflanzenbasierter Ernährung, allerdings tendierten Personen mit SIDD (schwerer insulinmangelbetonter Diabetes) und MOD (moderater Übergewichtsdia-betes) etwas weniger dazu, während jene mit MARD (moderater Altersdiabetes) adhärenter waren. Eine größere Adhärenz von Personen mit MARD zu mediterraner bzw. pflanzenbasierter Kost ging mit niedrigeren Inflammationsmarkern (hcCRP) einher.
Empfehlungen für Endotypen: Es braucht noch Studien
Insgesamt ergaben sich für die Dia-betes-Endotypen unterschiedliche Assoziationen zwischen der Adhärenz zu pflanzenbasierten Ernährungsmustern und kardiovaskulären Outcomes. Da die Adhärenz zu den verschiedenen Kostformen jedoch nur gering zwischen den Endotypen variierte, sind weitere Studien erforderlich, bevor gezielte, endotypbasierte Empfehlungen ausgesprochen werden könnten.
Dr. Karin Kreuel
Diabetes Herbsttagung 2023