Der Traum der wöchentlichen Insulingabe

Weniger Krankheitslast, bessere Glukosekontrolle?

Chicago. Wer weniger häufig Insulin spritzen muss, empfindet seinen Diabetes als weniger belastend. Doch die Entwicklung ultralangwirksamer Basalinsuline wirft auch eine Reihe Fragen auf, auf die es bislang keine Antworten gibt.

 

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Es gibt so viele Optionen für die Insulintherapie – braucht es da tatsächlich neue Insulinanaloga, die noch länger wirken? Professor Dr. Philip Home von der Universität Newcastle ist sich nicht ganz sicher. Zweifellos ist die Insulintherapie (noch) nicht ideal. „Wir kommen selbst in Studien nicht einmal in die Nähe einer normalen Glukosekon­trolle“, meinte Prof. Home. Das gilt sowohl für Menschen mit Typ-1- als auch Typ-2-Diabetes.

Da sind zum einen Alltagsfaktoren wie wechselnde körperliche Aktivität, Stress, Krankheit, Energiezufuhr oder Alkoholkonsum, die zu Schwankungen beim Insulinbedarf und Insulinsensitivität führen, sodass Diabetespatienten ihre Therapieziele nicht erreichen. Hypoglykämien und die Angst davor tragen ebenfalls dazu bei. Doch auch die Insuline selbst entfalten ihre Wirkung nicht immer gleich. Selbst bei ein und derselben Person kann die Absorption aus den subkutanen Insulindepots je nach Tag und Tageszeit sehr unterschiedlich ausfallen.

Dass sich das Resorptionsprofil und die Vorhersagbarkeit der Insulinverfügbarkeit – etwa durch galenische Modifikation – durch wöchentlich zu verabreichende Insulinanaloga verbessern lassen, bezweifelt Prof. Home: „Es könnte sogar schlechter werden.“ Schließlich dürften Insulinspiegel zwischen den Injektionen nicht abfallen oder unvorhersehbar schwanken. Die Halbwertzeit müsste bei etwa 170 Stunden liegen. Hypoglykämien müssten ebenso zuverlässig vermieden werden wie Blutzuckeranstiege.

Allerdings könnten wöchentliche Basalinsuline Vorbehalte verringern, wie sie Menschen mit Diabetes beim Start der Injektionstherapie häufig haben. Studien zeigen, dass die gefühlte Krankheitslast mit der Injektionshäufigkeit steigt. Indem es diese Barrieren abbaut, könnte ein wöchentliches Basalinsulin tatsächlich die Glukosekontrolle verbessern.

Allerdings stehen noch Antworten auf eine ganze Reihe von Fragen aus, wie der Experte betonte: Wie etwa reagieren Menschen mit Dia­betes auf die hohen Zahlen, wenn sie nach der Titrationsphase bis zu 2100 Einheiten Insulin pro Woche injizieren? Lassen sich derartig hohe Dosen galenisch so formulieren, dass die Injektionsmenge akzeptabel erscheint? Bei plötzlicher Krankheit, Operationen oder Steroidtherapie lässt sich die basale Insulinzufuhr nicht kurzfristig erhöhen – brauchen die Patienten dann ein weiteres, kürzer wirksames Insulin, um diabetische Ketoazidosen zu vermeiden?

Umgekehrt kann man die basale Insulinzufuhr beispielsweise im Aktivurlaub oder nach raschem Gewichtsverlust nicht kurzfristig senken. Offen ist weiterhin die Frage, inwieweit ein wöchentliches Basalinsulin sich auch für Menschen mit Typ-1-Diabetes eignet. Bis ein wöchentliches Basalinsulin fester Bestandteil des diabetologischen Werkzeugkastens wird, liegt also noch ein langer Weg vor den Entwicklern, so das Fazit von Prof. Home.

Manuela Arand

80th Scientifc Sessions der ADA